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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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nächsten Tag veränderten sich die Dinge, und alles kam in Fluß.
    Wie in der klassischen Tragödie kündigte sich das Ereignis durch Zeichen, Botschaften und Vorwarnungen an. Es war |153| noch genauso kalt wie an den vorangegangenen Tagen, der Himmel undurchsichtig, der Horizont verhangen. Zum Frühstück gab es,
     seit Prince geboren war, ein wenig Milch, nicht ganz eine Schale voll für jeden, und doch mußte Thomas im Namen der gesunden
     Ernährung darauf bestehen, daß alle sie tranken, denn weder Meyssonnier noch Colin oder Peyssou mochten sie. Momo hingegen
     trank mit Wonne. Er faßte die Schale mit seinen beiden schmutzigen Händen an, ließ im voraus ein leises vergnügtes Grunzen
     hören, heftete seine glitzernden schwarzen Augen auf das Naß und freute sich sekundenlang an seinem schneeigen Aussehen, bevor
     er die Schale zum Munde brachte und so rasch und gierig ausschlürfte, daß ihm beiderseits des Kinns zwei dünne weiße Fäden
     zwischen den Stoppeln eines vierzehn Tage alten Bartes bis hinunter auf seinen schwärzlichen Hals rannen.
    »Trotz alledem, Menou«, sagte ich, nachdem er seine Schale abgesetzt hatte, »heute müssen wir deinen Sprößling scheuern.«
    Ich hatte meine Worte so gewählt, daß sie den Betroffenen bis zur letzten Sekunde in Unkenntnis über eine Operation ließen,
     die zu ihrem Gelingen Überraschung voraussetzte.
    »Das sage ich mir schon seit langem«, ließ sich die Menou genauso beiläufig hören, ohne Momo anzusehen. »Doch allein, wie
     du weißt. Ich bin jederzeit bereit«, fügte sie hinzu.
    »Nun, dann gleich nach dem Frühstück. Inzwischen wird Peyssou mit Amarante den Ackerstreifen in den Rhunes bestellen. Zu viert
     müßten wir dem gewachsen sein.«
    Ich bin ganz sicher, daß Momo die Worte »scheuern« und »Sprößling« nicht begriffen hat, gerade deshalb hatte ich sie verwendet.
     Ich hatte ihn auch, wie die Menou, während unseres Wortwechsels nicht angesehen. Ungeachtet dessen warnte ihn sein unfehlbarer
     Instinkt. Er blickte abwechselnd auf seine Mutter und auf mich, erhob sich so jäh, daß er seinen Stuhl umwarf, und schrie
     voller Zorn: »Lammido infrin vadammomal! Wossamagini!« (Laßt mich doch in Frieden, verdammt noch mal! Wasser mag ich nicht!)
     Daraufhin griff er mit beiden Händen nach der Schinkenschnitte auf seinem Teller, sprang, so schnell er konnte, davon und
     suchte durch die Tür das Weite.
    »Der hat euch schön aufs Kreuz gelegt«, sagte Peyssou und lachte. »Jetzt ist es damit aus für heute.«
    |154| »Aber nein«, sagte die Menou, »da kennst du ihn nicht. Der vergißt es. Kaum ist ihm von der einen Seite was in seinen Kopf
     gekommen, gleich geht es ihm auf der anderen wieder heraus. Auf diese Art macht er sich niemals Sorgen. Er behält nichts.«
    »Na, der hat Schwein«, sagte Colin mit einem Anflug seines einstigen Lächelns. »Mein Kopf ist mir wie vollgestopft. Und das
     dreht sich und dreht sich. Da wäre ich schon lieber idiotisch.«
    »Idiotisch, das ist er nicht«, sagte die Menou lebhaft. »Em manuels Onkel hat es richtig ausgedrückt: Intelligent ist er, der Momo. Ihm fehlt nur die Sprache. Darum kann er nichts behalten.«
    »War nicht böse gemeint«, sagte Colin höflich.
    »Ich habe es auch nicht übelgenommen«, sagte die Menou und bedachte ihn mit einem Lächeln aus ihren lebhaften Augen, die den
     winzigen Totenkopf über ihrem mageren Hals aufhellten. »Und wo findest du Momo nach dem Frühstück wieder? Ich will es dir
     sagen: in der Box, bei Bel Amour, wo er ihr schöntut. Du läßt ihn herauskommen, und damit hat sich’s. Zu viert über ihn her,
     ein Kinderspiel.«
    »Ein Kinderspiel!« sagte ich. »Auf dieses Kinderspiel könnte ich verzichten. Vor seinen Füßen muß man sich immerhin in acht
     nehmen. Meyssonnier und ich, wir nehmen jeder einen Arm und legen ihn hin. Du, Colin, nimmst den rechten Fuß, Thomas den linken.
     Ihr müßt aufpassen: Er schlägt aus. Und er hat viel Kraft in seinen Beinen.«
    »Auf diese Art habt ihr mir mal eine Tracht Prügel verabreicht«, sagte Peyssou, und ein Lächeln zog seine dicke runde Flappe
     auseinander. »Ihr Lumpenpack«, fügte er mit Zartgefühl hinzu.
    Es erhob sich Gelächter, das kurz abbrach. Die Saaltür flog krachend auf, und Momo kam herein, närrisch vor Aufregung und
     Freude, und schrie und tanzte mit erhobenen Armen auf der Stelle.
    »Aawee! Aawee!« brüllte er.
    Obgleich ich jetzt schon der Momosprache mindestens ebenso kundig wie seine

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