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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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die Arbeit anlangt. Zum Moralischen äußert sich die Menou
     nicht. Außer ihrem »Na schön! Na schön!« sagt sie nichts. Sie bleibt still. Kein Wort. Daran erkenne ich ihre Klugheit. Und
     ihre Weiberverachtung. Ich weiß sehr wohl, was sie denkt: Laßt euch ihre Titten nur nicht in den Kopf steigen, Jungs. Ein
     Weib ist ein Weib. Und die Weiber taugen selten was.
    Ich weiß nicht, ob sich Miette durch das doppelte Schweigen, das betroffene der Gefährten und das unhöfliche der Menou, beschämt
     fühlt, doch Thomas rettet die Situation, indem er vom Wagen springt. Ich sehe, wie er sich von unserem Gefangenen, der noch
     auf dem Wagen hockt, die beiden Flinten herabreichen läßt. Da ist er schon, ganz mit Waffen behängt, unter uns. Er wird herzlich
     empfangen. Vielleicht nicht so wie ich, mit Begeisterung. Oder wie die Miette, mit angehaltenem Atem. Aber er bekommt sein
     Teil an Püffen und Rippenstößen. Es ist eigentlich das erstemal, daß ich die Gefährten ihn umjohlen sehe, ein Zeichen, daß
     er endlich völlig integriert ist. Ich bin zufrieden. Und mitgerissen erwidert er diese Begeisterung, so gut er kann, ein wenig
     steif, ein wenig linkisch noch, weil er als Stadtmensch nicht gleich die treffende Gebärde findet, nicht rasch genug auf die
     freundschaftliche Frotzelei eingeht.
    »Und du, Emmanuel, wie geht es dir?« fragt die Menou.
    Ich sehe, daß sie von tief unten ihren Totenkopf hochhebt und mir zulächelt, während sich ihr kleiner Körper, an dem kein
     Gramm Fett ist, gleichsam in die Länge streckt. Nach den üppigen Fleischmassen der Falvine gefällt mir dieses knochenmagere
     Gestell.
    |203| »Ein Glück noch«, sage ich auf patois, »daß du dich nicht bloß um die Kuh kümmerst!«
    Ich fasse sie an den Ellbogen, hebe sie wie eine Feder in die Luft, um sie auf beide Wangen zu küssen, und erzähle ihr auch
     noch ein wenig vom Etang, von Wahrwoorde, von seiner Familie. Was den Wahrwoorde betrifft, ist sie nicht sonderlich erschüttert.
     Sein schlechter Ruf war ihr bereits bekannt.
    »Ich gehe jetzt«, sagt sie schließlich. »Während ihr abladet, will ich euch das Essen machen.«
    Und schon entfernt sie sich in Richtung Wohnbau, winzig, rasch und schwarz durch die Dunkelheit trippelnd, während der Lichtkegel
     ihrer Taschenlampe vor ihr her tanzt, bis sie an der Zugbrücke und vor der zweiten Ringmauer ankommt, wo ihre Gestalt noch
     kleiner erscheint.
    »Menou!« rufe ich ihr nach. »Decke für neun Personen! Auf dem Anhänger sind noch zwei andere!«
    Da wir unser acht sind, brauchen wir, wenigstens für den vorläufigen Umzug, nicht länger als eine halbe Stunde, denn wir lagern
     alles miteinander in der Maternité, mit Ausnahme der Matratzen, die ich in den Wohnbau tragen lassen will, um dort die drei
     Neuen unterzubringen. Alles verläuft ordnungsgemäß, von einiger Beunruhigung bei Malabar abgesehen, den Jacquet an beiden
     Zügeln festhalten muß, und abgesehen auch von einigen Anschnauzern für Momo, der, statt uns zu leuchten, die Fackel senkt,
     um ins Licht zu rücken, was Malabar zwischen den Schenkeln hat. In Gottes Namen, Momo, was treibst du denn? Ateifn! Ateifn!
     ruft Momo. Momo, die Fackel, oder ich tret dir mit dem Fuß in den Hintern! Aber Momo sagt: Ateifn! Ateifn! Und als er sich
     wieder aufrichtet, schwingt er seinen freien Arm, um uns die Proportionen zu zeigen, die ihn in Erstaunen versetzen. Verwunderlich,
     daß Peyssou keine Bemerkung macht. Doch wegen Miette hält er sich wohl zurück.
    Nachdem die Tiere versorgt und eingeschlossen sind – Malabar in einer Box, in die ich vor dem Tag des Ereignisses meinen Hengst
     zu stellen pflegte und deren Tür er weder zerbrechen noch überwinden kann, um die Stuten wieder aufzusuchen –, passieren wir
     den inneren Burghof, tragen im Wohnbau die Matratzen in die erste Etage und steigen gleich wieder ins Erdgeschoß hinunter,
     wo wir im großen Saal das Feuer angezündet und die Gedecke aufgelegt finden und, als Überraschung in der |204| Mitte der langen Klostertafel thronend und für uns wie der höchste Ausdruck von Luxus und Beleuchtung, eine alte Öllampe des
     Onkels, die Colin während unserer Abwesenheit aufgestöbert und instand gesetzt hat.
    Die Menou hingegen glänzt nicht durch die Wärme und das Licht ihres Empfangs. Als ich an der Spitze des Trüppchens eintrete,
     dreht sie sich zähneknirschend nach mir um und blickt mich, die Lippen zusammenkneifend, mit stahlharten Augen an. Die Gruppe
    

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