Malevil
oben gesprochen habe, kann ich sagen, daß ich mich zu den religiösen Bräuchen
meiner Vorfahren hingezogen fühle. Kurzum, alle Fasern sind nicht gerissen. Anderseits bin ich mir wohl bewußt: Anhänglichkeit
bedeutet nicht Anhängerschaft.
Ich erwidere den Ellbogenstoß von Meyssonnier nicht und nehme den Blick von Thomas nicht zur Kenntnis. Sollen wir, außer dem
Kampf um den Besitz Miettes, auch noch einen Religionskrieg in Malevil führen? Unseren beiden Atheisten ist nicht entgangen,
daß die drei Neuangekommenen den klerikalen Clan in Malevil verstärken werden. Und das beunruhigt sie, weil sie auf diesem
Gebiet selbst meiner nicht sicher sind.
Als die Mahlzeit beendet ist, schicke ich Jacquet zum Feuermachen in die Etage des Wohnbaus, und sobald er zurück ist, erhebe
ich mich.
»Heute abend«, sage ich zu den Neuen, »schlaft ihr alle drei auf den Matratzen im Oberstock. Morgen werden wir sehen, wie
wir uns einrichten.«
Die Falvine steht ziemlich verlegen auf, denn sie weiß nicht, auf welche Art sie sich von uns verabschieden soll, und die
Menou, die keinen Blick für sie übrig hat, hilft ihr nicht. Die Miette, weniger befangen, vielleicht weil sie nicht zu sprechen
braucht, ist ziemlich erstaunt, und ich weiß auch, weshalb.
»Geht, geht«, sage ich und breite die Arme aus. »Ich begleite euch.«
Um es kurz zu machen, schiebe ich sie von fern auf die Tür zu, und niemand, weder unter den Neuen noch unter den Alten, murmelt
auch nur guten Abend, während wir hinausgehen. Im Oberstock überzeuge ich mich, ob die Fenster richtig schließen und die Matratzen
nicht zu nahe am Feuer sind. Nun schlaft gut, sage ich mit der gleichen Bewegung beider Arme und bin sehr betrübt, daß ich
Miette auf so neutrale, distanzierte Art zurücklasse. Ich meide sogar ihren Blick, der, scheint mir, mit fragendem Ausdruck
an mir hängt.
|209| Ich gehe. Aber ich komme nicht los von Miette. In meinen Gedanken nehme ich sie mit, während ich die Turmtreppe hinuntersteige
und wieder den großen Saal betrete, wo die Menou abgeräumt und die Gefährten die Stühle um das Feuer gerückt haben, den meinen
in die Mitte, und mich erwarten. Ich setze mich, und als ich sie ansehe, wird mir gleich bewußt, daß sie an nichts anderes
denken können und daß der Raum bis obenhin von Miettes Gegenwart erfüllt ist. Der erste, der sie erwähnt, ist Peyssou.
»Ein schönes Mädchen«, sagt er. »Aber sie redet nicht viel.«
»Sie ist stumm.«
»Nicht möglich!« sagt Peyssou.
»Sissuhm!« ruft Momo, zu Mitleid gerührt, doch auch mit dem Bewußtsein, daß er in Malevil von nun an nicht mehr die unterste
Stufe sprachlichen Vermögens einnimmt.
Kurzes Schweigen. Wir denken gerührt an Miette.
»Mama! Sissuhm!« schreit Momo und reckt sich stolz in die Höhe.
Die Menou ist beim Stricken. Was wird sie tun, wenn sie ihre Wolle verbraucht hat? Wird sie, wie Penelope, wieder auftrennen,
was sie jetzt strickt?
»Deshalb brauchst du nicht zu brüllen«, sagt sie, ohne aufzublicken. »Ich habe verstanden.
Ich
bin nicht taub.«
»Miette ist auch nicht taub«, sage ich etwas barsch. »Sie ist stumm.«
»Na ja«, sagt die Menou, »auf die Art wird es keinen Streit mit ihr geben.«
Sosehr uns der Zynismus dieser Bemerkung mißfällt, wir wollen der Menou keine Waffen in die Hand geben. Wir bleiben still.
Und da das Schweigen anhält, lasse ich den Bericht über unsern Tag im Etang folgen.
Über das militärische Epos gehe ich sehr schnell hinweg. Ich verbreite mich auch nicht über die familiären Verhältnisse innerhalb
des Stammes Wahrwoorde. Immer in Sorge, der Menou keine Waffe in die Hand zu geben. Und ich spreche hauptsächlich von Jacquet,
von seinem Anschlag auf Peyssou, von seiner passiven Mittäterschaft, von dem Terror, den der Vater auf ihn ausübte. Ich schließe,
daß man ihn, des Prinzips wegen, mit Freiheitsentzug bestrafen müsse, damit er sich merkt, daß er Unrecht verübt hat, und
nicht in Versuchung kommt, wieder anzufangen.
|210| »Wie stellst du dir diese Haft vor?« fragt Meyssonnier.
Ich zucke die Achseln.
»Du kannst dir wohl denken, daß wir ihn nicht anketten werden. Einzig und allein die Verpflichtung, Malevil und das Territorium
von Malevil nicht zu verlassen. Im übrigen soll er behandelt werden wie irgendeiner von uns.«
»Was denn, was denn!« sagt die Menou empört. »Wenn du meine Meinung wissen möchtest …«
»Ich habe dich nicht danach gefragt«,
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