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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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hinter mir bleibt stehen. Die Neuen eingeschüchtert. Die Alten aufmerksam und heimlich zum Lachen aufgelegt.
    »Und wo sind sie nun, die beiden anderen?« fragt sie, wütend. »Die Menschen aus dem Etang, die Fremden! Als ob wir mit der
     Nahrung nicht schon knapp genug dran wären!«
    Ich beschwichtige sie. Ich zähle ihr all die Reichtümer auf, die ich ihr zuführe, nicht gerechnet das Korn, von dem wir nun
     unser Brot backen können, und die Kleider für Peyssou, da ja der Wahrwoorde seine Statur gehabt hatte. Und schließlich die
     Hilfe bei der Arbeit. Daraufhin hole ich Jacquet aus der Gruppe und zeige ihn vor.
    Günstiger Eindruck. Die Menou hat eine Schwäche für schöne Burschen und allgemein für das starke Geschlecht. (Der Mann, Emmanuel,
     mit neun von zehn kommst du immer zurecht, der ist aus gutem Holz.) Und dazu, immerhin, Schultern und Arme wie Jacquet! Sie
     gibt ihm nicht die Hand und begrüßt ihn auch nicht. (Ein Fremder aus dem Etang, was meint ihr: Aus einem Scheuerlappen wird
     nicht so einfach ein Mundtuch!) Herablassend deutet sie ihm ein Kopfnicken an. Was Standesdünkel betrifft, könnte die Menou
     es mit einer Herzogin aufnehmen.
    »Und hier …«
    Doch ich habe nicht die Zeit, die Falvine vorzustellen oder auch nur zu nennen, die Menou hat sie zu schnell erspäht, als
     daß ich sie noch zurückhalten könnte, und bricht, überzeugt, daß »die Fremde« sie nicht versteht, in einen Wortschwall auf
     patois aus.
    »Aber du lieber Himmel, was soll denn das sein, Emmanuel! Was bringst du mir denn da an? Was lädst du mir da auf den Hals!
     Eine Menina von gut siebzig Jahren! (Sie selbst ist wohl fünfundsiebzig.) Die Junge mag noch hingehn, wo ich die kleinen |205| Gefälligkeiten ja sehen kann, die sie dir erweisen wird! Aber diese alte Zuchtsau, wo die so dick ist, daß sie nicht mal den
     Hintern rühren kann, wo die zu nichts nütze sein wird, als in meiner Küche im Wege zu stehn, wo die zu nichts zu gebrauchen
     sein wird, als sich vollzustopfen, mehr, als ihr zusteht! Und so alt«, setzt sie mit Abscheu hinzu, »daß mir übel wird, wenn
     ich sie nur ansehe! Mit solchen Runzeln! Und dieses ganze Fett, daß man meinen könnte, einen Topf Schweineschmalz vor sich
     zu haben, den man auf einen Teller geleert hat!«
    Die Falvine ist krebsrot geworden, sie holt mit Mühe Atem, und dicke runde Tränen, wie ich sie schon kenne, kullern ihr über
     den Wasserfall aus Schweinskinnbacken und Fleischlappen herab. Ein trauriges Schauspiel, das der Menou aber entgeht, weil
     sie es darauf anlegt, die Fremde nicht anzusehen und sich nur an mich zu wenden.
    »Und wo die noch dazu nicht mal von hier ist, diese alte Menina, wo die eine Fremde ist, eine Wilde, genau wie ihr Sohn! Ein
     Mann, der’s seiner eigenen Tochter besorgt hat! Und wer weiß schon, ob er’s nicht auch mit seiner Mutter getrieben hat?«
    Diese grundlose Anschuldigung überschreitet in solchem Maße die Grenzen, daß sie der Falvine die Kraft gibt, zu protestieren.
    »Der Wahrwoorde ist doch nicht mein Sohn! Er ist mein Schwiegersohn!« schreit sie auf patois.
    Stille. Verdutzt wendet sich die Menou nach ihr um und betrachtet sie zum erstenmal wie ein menschliches Wesen.
    »Du sprichst ja Patois«, sagt sie, nun doch betreten.
    Austausch von Blicken und verhaltenes Lachen bei den Alten.
    »Na und?« sagt die Falvine. »Wo ich in La Roque geboren bin! Wo du doch vielleicht den Falvine kennst, der seine Werkstatt
     neben dem Schloß hat. Ich bin seine Schwester.«
    »Doch nicht der Falvine, der Schuster ist?«
    »Aber ja!«
    »Wo der doch mein jüngerer Vetter ist!« sagt die Menou.
    Staunen! Es wird erklärt werden müssen, weshalb die Menou die Falvine nicht kannte und sie sogar niemals gesehen hatte. Doch
     nach und nach werden wir dahinterkommen. Ich schenke ihnen Vertrauen.
    |206| »Ich hoffe«, sagt die Menou, »daß du, was ich gesagt habe, nicht als Beleidigung angesehen hast, zumal es ja nicht an dich
     gerichtet war.«
    »War keine Beleidigung«, sagt die Falvine.
    »Besonders was die Dickleibigkeit betrifft«, ergänzt die Menou. »Das ist ja nicht deine Schuld. Und es bedeutet auch nicht,
     daß du mehr ißt als eine andere.« (Was als Höflichkeit oder als Warnung aufgefaßt werden kann.)
    »War keine Beleidigung«, wiederholt die Falvine, sanft wie ein Lamm.
    Nun, unsere beiden Meninas werden sich vertragen. Auf der Basis einer gesunden Hierarchie. Ich brauche mich gar nicht zu fragen,
     wer im Hühnerstall das

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