Malina
den Mund nehmen, dieses Ich? Erwägst du es noch? Wieg es doch!
Ich: (tempo giusto) Aber ich fange es doch erst zu lieben an.
Malina: Wie sehr meinst du, es lieben zu können?
Ich: (appassionato e con molto sentimento) Sehr. Nur zu sehr. Ich werde es lieben wie meinen Nächsten, wie dich!
Heute gehe ich durch die Ungargasse und denke an Umzug, es soll eine Wohnung in Heiligenstadt frei werden, dort zieht jemand aus, Freunde von Freunden, die Wohnung ist allerdings nicht sehr geräumig, und wie soll ich das Malina beibringen, dem ich schon einmal eine größere Wohnung suggerieren wollte, seiner vielen Bücher wegen. Er wird aber niemals aus dem III . Bezirk wegziehen. Eine einzige Träne, nur im Winkel des einen Augs, entsteht, kommt aber nicht ins Rollen, kristallisiert sich in der kalten Luft, wird immer größer und größer, eine zweite riesige Kugel, die nicht mit der Welt herumkreisen möchte, sondern sich von der Welt löst und in den unendlichen Raum stürzt.
Ivan ist nicht mehr Ivan, ich sehe ihn an wie ein Kliniker, der eine Röntgenaufnahme studiert, ich sehe sein Skelett, Flecken in seiner Lunge vom Rauchen, ich sehe ihn selber nicht mehr. Wer gibt mir Ivan zurück? Warum läßt er sich plötzlich so ansehen von mir? Ich möchte über den Tisch fallen, während er die Rechnung verlangt, oder unter den Tisch fallen und das Tischtuch mit herunterreißen, mit allen Tellern und Gläsern und dem Besteck darauf, auch mit dem Salz, obwohl ich so abergläubisch bin. Tu das nicht mit mir, werde ich sagen, tu das nicht mit mir, oder ich sterbe.
Gestern war ich tanzen, in der Eden-Bar.
Ivan hört mir zu, aber hört er mir wirklich zu? er sollte doch hören, daß ich sage, ich war tanzen, ich wollte etwas zerstören, denn ich habe zuletzt nur noch mit einem widerwärtigen jungen Mann getanzt, und ihn habe ich angesehen, wie ich Ivan nie angesehen habe, während er immer wilder und deutlicher tanzte und in die Hände klatschte oder mit den Fingern schnalzte. Zu Ivan sage ich: Ich bin furchtbar müde, ich war zu lange auf, ich halte das gar nicht mehr aus.
Aber hört Ivan mir zu?
Ivan fragt beiläufig, weil wir einander schon lange nicht gesehen haben, ob ich nicht mit ihnen ins Burgkino kommen möchte, es gibt MICKY MAUS, von Walt Disney. Ich habe leider keine Zeit, denn ich möchte die Kinder jetzt nicht mehr sehen, vor allem die Kinder nicht, Ivan immer, aber nicht die Kinder, die er mir nehmen wird. Ich kann Béla und András nicht mehr sehen. Sie sollen ihre Weisheitszähne allein bekommen. Ich werde nicht mehr dabei sein, wenn man sie ihnen herauszieht.
Malina flüstert in mir: Töte sie, töte sie.
Aber in mir flüstert es lauter: Ivan und die Kinder nie, sie gehören zusammen, ich kann sie nicht töten. Wenn es kommt, wie es kommen wird, dann wird Ivan, wenn er jemand anderen berührt, nicht mehr Ivan sein. Ich habe wenigstens niemand berührt.
Ich sage: Ivan.
Ivan sagt: Zahlen bitte!
Es muß ein Irrtum sein, es ist doch Ivan, nur ich sehe immer an ihm vorbei, auf das Tischtuch, auf das Salzfaß, ich starre die Gabel an, ich könnte mir die Augen ausstechen, ich schaue über seine Schultern zum Fenster hinaus und gebe ihm nachlässige Antworten.
Ivan sagt: Du siehst ja totenbleich aus, bist du nicht gesund?
Nur etwas übernächtig, ich sollte Ferien machen, Freunde von mir fahren nach Kitzbühel, Alexander und Martin gehen nach St. Anton, ich erhole mich sonst einfach nicht mehr, die Winter werden immer länger, wer übersteht diese Winter!
Ivan denkt also wirklich, daß es der Winter ist, denn er rät mir sehr zu, bald zu fahren. Ich sehe ihn einfach nicht mehr an, ich sehe etwas anderes, neben ihm ist ein Schatten, Ivan lacht und redet mit einem Schatten, er ist viel lustiger, ausgelassener, so schrecklich ausgelassen war er nie mit mir, und ich sage, daß Martin oder Fritz sicherlich, aber noch hätte ich so furchtbar viel zu tun, nein, ich wisse es nicht. Wir telefonieren ja.
Ob Ivan auch denkt, daß es früher nicht so war, oder scheint es nur mir, daß es früher anders war als heute. In meinem Hals steckt ein wahnsinniges Lachen, aber weil ich fürchte, daß ich dann nie mehraufhören könnte zu lachen, sage ich nichts und werde immer düsterer. Nach dem Kaffee bin ich ganz verstummt, ich rauche.
Ivan sagt: Du bist sehr fad heute.
Ich frage: Ja? ja? bin ich denn immer so gewesen?
Vor dem Haustor bleibe ich zögernd im Auto sitzen und schlage vor, daß wir doch gelegentlich
Weitere Kostenlose Bücher