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Malina

Malina

Titel: Malina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bachmann
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oder im Abstellkabinett, da ich mich dort selten aufhalte) – sagen Sie, daß ich krank bin, verreist, tot. Fräulein Jellinek sieht gespannt und höflich aus, hält die Hand über die Sprechmuschel und flüstert: Aber es ist ein Ferngespräch, Hamburg.
    Bitte sagen Sie einfach, was Ihnen Spaß macht.
    Fräulein Jellinek entscheidet sich dafür zu sagen, daß ich nicht zu Hause sei, nein, sie bedaure, sie wisse nicht, sie hängt befriedigt ein. Es war immerhin eine Abwechslung.
    Und nach Recklinghausen und London und Prag, was schreiben wir da? das wollten wir doch heute beantworten, mahnt Fräulein Jellinek, und ich fange also rasch an:
    Sehr geehrte Herren,
    den besten Dank für Ihren Brief vom, Datum, etc.
    Und plötzlich fällt mir ein, daß der Mantel, denich im Frühling den Frühjahrsmantel nenne, im Herbst aber den Herbstmantel, ein loses Futter hat, und ich laufe hinaus zu den Wandschränken, weil ich dieses Futter einmal festnähen muß, ich krame nach einem dunkelblauen Faden, frage gut gelaunt: Wo sind wir stehengeblieben, was habe ich gesagt? Ach so. Ach, schreiben Sie doch einfach, was Ihnen einfällt, daß ich verhindert bin oder verreist oder daß ich krank sein werde. Fräulein Jellinek lacht ein wenig, sie wird also bestimmt ›verhindert‹ schreiben, denn sie ist für maßvolle Absagen, die ebenso liebenswürdig wie neutral klingen. Man dürfe den Leuten keine Handhabe geben, findet Fräulein Jellinek, die immer um Erlaubnis fragt, wenn sie ins Bad gehen will. Sie kommt parfümiert zurück, hübsch, groß, schlank und so verlobt, mit einem Assistenzarzt von der Poliklinik, und sie hackt mit ihren langen schönen Fingern beste Empfehlungen in die Maschine, hie und da einen freundlichen oder einen herzlichen Gruß.
    Fräulein Jellinek wartet und wartet. Das Futter ist genäht und wir trinken beide einen Schluck aus unsren Teeschalen.
    Damit Sie es nicht vergessen – die Urania, das ist auch dringend.
    Fräulein Jellinek weiß, daß sie jetzt herauslachen kann, weil wir in Wien sind, das ihr keine Ehrfurcht einflößt wie London und Santa Barbara und Moskau, sie schreibt den Brief ganz allein, obwohl er verdächtig, ich würde sagen, beinahe bis aufs Wort, dem Brief an alle Volkshochschulen und Vereine ähnelt.
    Dann kommt das Problem mit England, und ich kaue an dem Rest des blauen Fadens. Wissen Sie was, wir machen heute einfach Schluß und schreiben dieses Zeug nächste Woche. Mir fällt überhaupt nichts ein. Fräulein Jellinek bedeutet mir, daß sie das nun schon zu oft höre und daß davon nichts besser werde, sie will unbedingt anfangen, sie will es selbst probieren.
    Dear Miss Freeman:
    thank you very much for your letter of august 14 th .
    Aber nun müßte ich Fräulein Jellinek diese ganz komplizierte Geschichte erzählen, und ich sage flehentlich: Das Gescheiteste wäre noch, Sie schreiben zwei Zeilen und schicken alle vier Briefe an den Dr. Richter, und ich sage nervös, weil Ivan jeden Moment anrufen wird: Aber nein, ich sage Ihnen doch schon zum zehnten Mal, er heißt Wulf und nicht Wolf, nicht wie der Wolf im Märchen, Sie können ja nachschauen, nein, Nummer 45, ich bin beinahe sicher, so schauen Sie doch nach, und dann heften Sie den Kram ab, und wir warten, bis er zurückschreibt, diese Miss Freeman hat doch nichts als eine grauenvolle Bescherung angerichtet.
    Dieser Meinung ist auch Fräulein Jellinek, und sieräumt den Schreibtisch auf, während ich das Telefon nach vorn trage. Im nächsten Moment läutet es wirklich, und ich lasse es dreimal läuten, es ist Ivan.
    Ist die Jellinek weg?
    Fräulein Jellinek bitte, was erlaubst du dir?
    Meinetwegen Fräulein
    In einer Viertelstunde?
    Ja, das wäre möglich
    Nein, wir sind gleich fertig
    Nur Whisky, Tee, nein, sonst nichts
    Während sich Fräulein Jellinek kämmt und ihren Mantel anzieht, noch mehrmals die Handtasche auf- und zumacht und nach ihrem Einkaufsnetz sucht, erinnert sie mich dran, daß ich drei wichtige Briefe selber schreiben wollte und daß wir keine Briefmarken mehr haben, Tesafilm will sie auch kaufen, und ich erinnre sie dran, daß sie unbedingt von den Notizzetteln das nächste Mal die Namen von diesen Menschen in die Agenda schreiben muß, Sie wissen schon, von diesen Leuten da, denn immer sind irgendwelche Menschen im Kopf zu behalten, die ins Adreßbuch oder in die Agenda müssen, weil man sich soviel Menschennamen nicht merken kann.
    Fräulein Jellinek und ich wünschen einander einen schönen Sonntag, und ich

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