Malina
etwas von Anbeginn, mit einer Aura für niemand. Es müssen die Haare zwanzigmal gebürstet, die Füße gesalbt und die Zehennägel lackiert werden, es müssen die Haare von den Beinen undunter den Achseln entfernt werden, die Dusche wird an- und ausgemacht, ein Körperpuder wolkt im Badezimmer, es wird in den Spiegel gesehen, es ist immer Sonntag, es wird in den Spiegel gefragt, an der Wand, es könnte schon Sonntag sein.
Einmal werden alle Frauen goldene Augen haben, sie werden goldene Schuh und goldene Kleider tragen, und sie kämmte sich ihr goldenes Haar, sie raufte sich, nein! und im Wind wehte ihr goldenes Haar, als sie auf ihrem Rappen die Donau hinaufritt und nach Rätien kam ...
Ein Tag wird kommen, an dem die Frauen rotgoldene Augen haben, rotgoldenes Haar, und die Poesie ihres Geschlechts wird wiedererschaffen werden ...
Ich bin in den Spiegel getreten, ich war im Spiegel verschwunden, ich habe in die Zukunft gesehen, ich war einig mit mir und ich bin wieder uneins mit mir. Ich blinzle, wieder wach, in den Spiegel, mit einem Stift den Lidrand schraffierend. Ich kann es aufgeben. Einen Augenblick lang war ich unsterblich und ich, ich war nicht da für Ivan und habe nicht in Ivan gelebt, es war ohne Bedeutung. Das Wasserin der Badewanne fließt ab. Ich schiebe die Laden zu, ich räume die Stifte, die Tiegel, die Flacons, die Spraydosen in den Toilettenschrank, damit Malina sich nicht ärgert. Das Hauskleid wird in den Wandschrank gehängt, es ist nicht für heute. Ich muß Luft haben und vor dem Schlafengehen auf die Straße. Aus Rücksicht biege ich auf den Heumarkt ein, bedroht von der Nähe des Stadtparks, von seinen Schatten und dunklen Gestalten, mache einen Umweg über die Linke-Bahn-Gasse, gehetzt, weil mir dieses Stück unheimlich ist, aber nur bis zur Beatrixgasse, denn die ist mir wieder sicher, und von der Beatrixgasse gehe ich die Ungargasse hinauf bis zum Rennweg, damit ich nicht wissen kann, ob Ivan zu Hause ist oder nicht. Auf dem Rückweg übe ich noch einmal diese Rücksicht, weder Nummer 9 noch die aufschlußreiche Münzgasse kann ich auf diese Weise sehen. Ivan soll seine Freiheit haben, er soll seinen Spielraum haben, auch zu dieser Stunde. Ich nehme ein paar Stufen auf einmal, jage hinauf, weil ein Telefon leise zu rasseln scheint, es könnte unser Telefon sein, es läutet wirklich in Intervallen, ich sprenge die Tür auf, lasse sie offen hinter mir, denn das Telefon schrillt, es ist in einem Alarmzustand. Ich reiße den Hörer vom Apparat und sage atemlos und erstaunt:
Ich komme gerade, spazieren war ich
Allein natürlich, was sonst, nur ein paar Schritte
Daß du zu Hause bist, wie soll ich denn nur
Dann habe ich dein Auto übersehen
Weil ich vom Rennweg gekommen bin
Ich muß vergessen haben, zu deinen Fenstern hinauf
Ich habs lieber, vom Rennweg zu kommen
Zum Heumarkt trau ich mich nicht
Daß du aber auch schon zu Hause bist
Wegen dem Stadtpark, da weiß man ja nie
Wo hab ich bloß meine Augen gehabt
In der Münzgasse, da steht meines heute auch
Dann ruf ich dich am besten, ich rufe also morgen an
Es kommt die Versöhnung, es kommt die Schläfrigkeit und es weicht die Ungeduld, ich war nicht sicher, aber ich bin wieder in Sicherheit, nicht mehr am nächtlichen Stadtpark, Hauswände entlanghetzend, nicht mehr auf dem Umweg in der Dunkelheit, sondern schon ein wenig zu Hause, schon auf der Planke der Ungargasse, schon mit dem Kopf gerettet in mein Ungargassenland, ein wenig auch mit dem Hals aus dem Wasser. Schon beim ersten Gurgeln von Worten und Sätzen, schon beim Einsetzen, beim Anfangen.
Ein Tag wird kommen, an dem die Menschen rotgoldene Augen und siderische Stimmen haben, an dem ihre Hände begabt sein werden für die Liebe, und die Poesie ihres Geschlechts wird wiedererschaffen sein ...
Schon beim Ausstreichen, beim Durchsehen, beim Wegwerfen.
... und ihre Hände werden begabt sein für die Güte, sie werden nach den höchsten aller Güter mit ihren schuldlosen Händen greifen, denn sie sollen nicht ewig, denn es sollen die Menschen nicht ewig, sie werden nicht ewig warten müssen ...
Schon beim Einsehen, beim Voraussehen.
Ich höre den Schlüssel an der Tür, Malina sieht fragend zu mir herein.
Du störst nicht, setz dich zu mir, willst du Tee, willst du ein Glas Milch, willst du etwas?
Malina will sich selbst ein Glas Milch aus der Küche holen, er macht eine leichte ironische Verbeugung, etwas läßt ihn lächeln über mich. Er muß auch noch etwas
Weitere Kostenlose Bücher