Malina
Wunsch nach Trennung besteht, kann es zu keiner kommen, es kann also nur Dein tiefer Wunsch gewesen sein, dem jeder Anlaß recht war. Für mich hätte es nie einen Anlaß gegeben, und heute kann es deswegen auch keinen geben. Du hast Dich nur zurückgebildet in mir, Du bist in die Zeit vergangen, in der wir einmal beisammen waren, und dort steht ein Jugendbildnis von Dir, nicht mehr zu beschädigen durch die späteren Geschehnisse und meine Gedanken darüber. Es ist nicht mehr zu verderben. Es steht in dem Mausoleum in mir, neben den Bildern der erdachten Gestalten, der bald auflebenden und bald absterbenden Figuren.
Wien, den ...
Eine Unbekannte
Wenn Ivan die Lausbuben, die Fratzen, die Banditen, die Wechselbälger bei mir abstellt, diese gyerekek, weil er noch einen Weg machen muß, nur auf einen Sprung weg muß, und das habe ich mir ausgebeten, entsteht eine Turbulenz in der Wohnung, von der Lina sich nichts träumen läßt. Zuerst wird Linas Marmorkuchen von beiden zertrümmert, aber kaum gegessen, und ich räume Messer, Gabel, Scher’ und Licht überall weg. Ich habe nicht gewußt, daß meine Wohnung so voll von gefährlichen Gegenständen ist, auch habe ich die Tür angelehnt gelassen für Ivan, aber András ist schon ins Stiegenhaus entkommen. Ich habe eine entsetzliche Verantwortung auf mich geladen, ich sehe Gefahren in jeder Sekunde, ungeahnte, überraschende, denn wenn auch nur einem von Ivans Kindern das geringste zustößt, könnte ich Ivan nie mehr unter die Augen kommen, aber es sind ja gleich zwei, und sie sind schneller, erfinderischer, geistesgegenwärtiger als ich. András ist zum Glück nicht hinuntergelaufen auf die Straße, sondern hinauf, er läutet Sturm an der Tür der Kammersängerin, die nicht aufstehen und nicht öffnen kann, weil sie zweihundert Kilo schwer auf dem Bett liegt, ich werde ihr später einen Zettel unter die Türe schieben, mit einer Entschuldigung, weil die Kammersängerin sich sicher aufgeregt hat, mit ihrem verfetteten Herzen. András wird von mir zurückgeschleppt zur Wohnung, aber nun ist auch noch die Tür zugefallen und ich bin ohne Schlüssel. Ich hämmere gegen die Tür, Ivan macht auf, Ivan ist gekommen! zu zweit ist es leichter mit den beiden, Béla sammelt, auf ein Wort von Ivan hin, widerspruchslos die größten Brocken von dem Kuchen ein, aber András hat jetzt das Grammophon entdeckt, hat schon die Hand andem Hebel mit der neuen Saphirnadel und kratzt über die Schallplatte. Zu Ivan sage ich glücklich: Laß ihn doch, es macht nichts, es ist nur das D-Dur Konzert, es ist meine Schuld! Nur den Leuchter, den András jetzt in Angriff nehmen will, stelle ich rasch auf die hohe Vitrine. Ich laufe in die Küche und hole die Coca-Cola-Flaschen aus dem Eisschrank. Ivan, könntest du bitte wenigstens die Flaschen aufmachen, nein, dort liegt doch der Öffner! Mit dem Öffner ist aber Béla verschwunden, wir sollen raten, wo der Öffner ist, und wir spielen und raten: kalt, lauwarm, kühler, heiß, sehr heiß! der Öffner liegt unter dem Schaukelstuhl. Die Kinder wollen heute kein Coca Cola trinken, Béla schüttet sein Glas in eine Blumenvase mit den Rosen von Herrn Kopecky und den Rest in Ivans Tee. Ich sage: Aber Kinder, könntet ihr nicht einen Moment, ich habe mit Ivan etwas zu reden, Herrgott, nur einen Augenblick, gebt bitte Ruhe! Ich rede mit Ivan, der mir sagt, daß er jetzt mit den Kindern doch nicht nach Tirol fahren wird, sondern, früher als gedacht, an den Mondsee, weil seine Mutter nicht mehr nach Tirol will. Ich komme nicht dazu zu antworten, denn András muß auf einem Entdeckungsgang in die Küche gekommen sein, ich erwische ihn noch auf dem Küchenbalkon, auf den er zu klettern beginnt, lasse mir keine Aufregung anmerken und ziehe ihn herunter, ich sage: Komm doch, bitte,herein, ich habe noch Schokolade für dich! Ivan fährt ungerührt fort: Ich habe dich gestern nicht erreichen können, ich hätte es dir früher gesagt! Ivan will also an den Mondsee, und es ist nicht die Rede vom Mondsee und mir, ich sage schnell: Das trifft sich gut, ich muß zu den Altenwyls an den Wolfgangsee, ich habe schon zweimal abgesagt und jetzt halbwegs zugesagt, ich müßte fahren, weil sie sonst noch beleidigt sind. Ivan sagt: Tu das unbedingt, du mußt einmal heraus aus Wien, ich verstehe nicht, warum du immer absagst, du hättest doch die Zeit dafür. Éljen! Béla und András haben jetzt im Korridor Malinas und meine Schuhe gefunden, sie stecken mit ihren kleinen
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