Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mallorca - hin und nicht zurueck

Mallorca - hin und nicht zurueck

Titel: Mallorca - hin und nicht zurueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Hempel
Vom Netzwerk:
die Schultern. »Na ja, man soll ja niemanden zu seinem Glück zwingen.«
    »Ach weißt du, Kindchen, das Leben ist wie ein Buch. Nur die meisten Menschen vergessen, dass sie dieses Buch selbst schreiben.« Lores Blick schweifte hinüber zu den Gipfeln der Berge, wo das strahlende Abendrot langsam der Dämmerung wich. »Jedes Kapitel, das du lebst, ist deins. Verstehst du was ich meine?«
    Toll! Was sollte ich jetzt mit dem Kapitel Leo und Sybille anfangen? Das hatte ich nämlich definitiv nicht geschrieben!
    Lore legte ihre manikürte, gebräunte Hand auf meinen Arm. »Wenn die Geschichte so läuft, wie bei dir gerade, musst du das Drehbuch umschreiben. Punkt. Raus mit den Seiten, ändere was.«
    Das war nun auch leichter gesagt als getan. Aber Lore hatte, wie ich bereits wusste, schon einige Scheidungen hinter sich. Zögernd setzte ich an: »Darf ich dich mal etwas Persönliches fragen?«
    Schließlich kannten wir uns erst seit heute Nachmittag, auch wenn es mir schon viel länger vorkam.
    Lore nickte. »Alles was du willst, Kindchen.«
    »Warum hast du dich das letzte Mal scheiden lassen?«, fragte ich.
    Gott, wie das klang, das letzte Mal.
    »Ach weißt du, ich war zu alt, das musst du dir mal vorstellen.« Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. »Sieh dich um in meinem kleinen Paradies, Lisa. Das alles habe ich in dreißig Jahren erschaffen. Hier stand, außer dem alten Haus, das völlig verfallen war, nichts. Kein Park, keine Mauern um das Grundstück, nur ein paar Mandel- und die Feigenbäume.«
    Ratlos hob sie die Schultern.
    »Oskar und ich sind ein Jahrgang und als ich vor drei Jahren siebzig wurde, meinte er, wir sollten alles verkaufen oder verpachten und in ein nettes Altersheim mit betreutem Wohnen nach Santa Ponsa ziehen.«
    Versonnen blickte sie zum Himmel auf und hob die Hände. »Oskar dachte, wir wären zu alt, um hier weiter zu machen. Er wollte nicht mehr.«
    Nach einer bedeutungsvollen Pause, fuhr sie fort: »Ich wollte jedoch weitermachen! Weil ich diese Menschen, die meine Gäste sind, seit Jahren kenne und weil ich mich noch lange nicht in einem Altersheim – welcher Art auch immer – sehe. Was ist denn Alter schon, außer einer Zahl auf einem Kalender? Ich fühle mich nicht alt. Ganz im Gegenteil, ich lebe.« Wehmütig lächelte sie. »Nein, ich habe Oskar geliebt, aber diesen Preis wollte ich nicht zahlen. Also habe ich ihn ziehen lassen. Was willst du machen?«
    Verrückt, wie das Leben manchmal so spielte. Da fühlte ich mich im Moment mit Mitte vierzig alt wie Methusalem und Lore predigte das Leben. Pedro hatte seine Tante wirklich treffend beschrieben. Sie kannte keine Altersgrenze und genoss ganz einfach jeden Tag.
    »Hast du ihn je wieder gesehen?«
    »Oh ja. In genau dieser Altersresidenz. Ich bin da mal hingefahren, war jedoch heilfroh, als ich wieder draußen war! Bei denen fliegen bis zum heutigen Tag noch die berühmt berüchtigten Löcher-aus-dem-Käse-und-sie-lallen-Blankenese, gerade so, als ob sie vor zwanzig Jahren aufgehört hätten, ihr Gehirn zu benutzen! Stehengeblieben sind sie. In dem Bewusstsein, alt zu sein, interessiert sie die heutige Welt schon nicht mehr. Sie sehen zwar Nachrichten und beklagen die Schlechtigkeit auf diesem Planeten, aber damit hat es sich schon. Dass es da noch junge Menschen gibt, Kinder und junge Erwachsene, das ist denen völlig wurscht. Sie haben beschlossen alt zu sein und basta!«
    Was sollte ich dazu sagen?
    »Aber ich bin nicht alt«, betonte Lore nochmals. »Ich genieße jeden Tag, bewege mich und ernähre mich gesund. Auch wenn ich mich, zugegebenermaßen, immer ein wenig zu viel gesund ernähre. Ich bin dreiundsiebzig, es geht mir gut. Ich finde Madonna super und ich stehe auf die Musik von Shakira und den Söhnen Mannheims. Nicht, dass ich die Songs von vor-vor-gestern vergessen hätte, Kindchen. Aber die Zeit ist doch nicht stehen geblieben! Man muss mit ihr gehen, Schritt halten, sonst verpasst man den Anschluss.«
    Jetzt war ich platt. Felix hörte stundenlang die Söhne Mannheims. Ich wiederum kannte nicht einmal die Texte und empfand die Musik-Kanäle im Fernsehen eher als Lärmbelästigung, denn als Entspannung, wenn ich nachmittags aus dem Büro kam. Versonnen sah ich Lore an.
    »Verstehst du denn nicht, Lisa? Was du denkst und was du fühlst ist von Bedeutung. Nur das zählt. Also, schreib dein Kapitel neu. Dein jetziger Text ist einfach unbrauchbar und nicht zeitgemäß!«
    Ich hatte Lores mitreißende Rede

Weitere Kostenlose Bücher