Mallorca - hin und nicht zurueck
Augenblick ein Bär von einem Mann in einem knallbunten Hawaiihemd, das sich über seinem gewaltigen Bauch spannte. Die graue Mähne fiel ihm bis auf die Schultern und er sah Stevie herausfordernd an. »Wollen wir es wagen? Aber ich führe, dass wir uns da richtig verstehen!«
Damit hatte der gute Stevie nicht gerechnet und riss begeistert die Augen auf. »Wirklich?«, rief er ungläubig und hob seinem Tanzpartner galant eine Hand entgegen. Kurz überlegte er, dann flötete er auf die für ihn so typische Art: »Na, das mit dem Führen sehen wir noch, Herbert.«
Und so betraten der riesige Herbert und Lores Kellner und Seelenklempner das Parkett. Herbert legte Stevie den Arm in den Rücken und Stevie hob galant seine linke Hand auf dessen Schulter. Und dann legten die beiden einen Tango aufs Parkett, der selbst Juanita und Carlos in ihren Schritten verharren ließ. Staunend und johlend standen die Gäste dieses verrückten Hotels um die Tanzfläche und amüsierten sich königlich.
War das normal?, fragte ich mich. Diese Menschen sollten alt sein? Na, da hatte ich irgendwie etwas falsch verstanden. Alter hatte tatsächlich überhaupt nichts mit dem Geburtsdatum zu tun.
Sophie kam auf mich zu und wischte sich über die Wangen. Sie lachte sprichwörtlich Tränen. »Oh Lisa, das glaubt mir doch keiner, wenn ich das zu Hause erzähle.«
Nach der letzten Kopfdrehung, die einfach nur perfekt war, tippte Herbert Stevie leicht an die Schuler und dieser ließ seinen Oberkörper entspannt nach hinten fallen und vollführte eine formvollendete Halbdrehung. Als er sich wieder aufgerichtet hatte und seine Hand auf Herberts Schulter legte, verstummte die Musik und die Menge brach in tosenden Applaus aus.
Stevie verbeugte sich und tänzelte hinter den Tresen zurück. »So Leute, jetzt seid ihr wieder dran. In einer halben Stunde ist Feierabend«, ermahnte er. »Morgen ist ein neuer Tag.«
»Oh je«, stöhnte Oswald neben mir. »Falls du von Urlaub geträumt hast, vergiss es. Das hier ist ein Sklavenlager, lass dir nichts vormachen. Sieben Uhr schwimmen, danach Frühstück, anschließend eine Stunde Pause, dann körperliche Betätigung, gefolgt von Mittagessen und erst dann ist endlich Siesta. Wollen wir noch ein Tänzchen wagen?«
Ich trank meinen letzten Schluck Sekt aus. »Gerne.«
Um sieben Uhr aufstehen war für mich schon eine Drohung. Mit Schwimmen vor dem Frühstück hatte ich auch nichts am Hut. Und – was bitte hieß körperliche Betätigung?
Egal, die Musik setzte ein und ich hatte Spaß. Sophie, soweit ich das sehen konnte, auch. Und über alles andere würde ich morgen nachdenken.
***
W ar es das, was meine Tochter gemeint hatte, als sie sagte: »Lass dir mal die Sonne auf den Bauch scheinen?«
Also – die Sonne schien, ich lag tatsächlich am Pool, an diesem wunderschönen Morgen und es ging mir gut. Aber diese Rentner konnten einen schaffen! Nicht nur, dass sie bis spät nach Mitternacht Tango tanzten, nein, genau wie Oswald es angedroht hatte, war heute Morgen Punkt sieben ein Gong durch die Flure des alten Hauses gehallt, gefolgt von Marthas durchdringender Stimme: »Aufstehen, das Wasser wartet.«
Der gute Mann hatte also nicht geflunkert.
Ich war aufgestanden, hatte hastig Zähne geputzt, mich in den Badeanzug geworfen, mir ein leichtes Sommerkleid übergestreift, und war mit meinem Badehandtuch bewaffnet an den Pool geeilt, wo sich meine wesentlich älteren Mitstreiterinnen bereits im kühlen Nass ertüchtigten. Isolde, bis gestern noch die Gräfin, schmetterte locker im Delfin die Bahnen auf und ab und selbst Sophie – ich konnte es kaum glauben – schwamm, die mit Blumen übersäte Badehaube auf dem Kopf, tapfer im Pool.
Hastig warf ich mein Handtuch auf eine Liege, zog mein Kleid aus und täuschte den Hartriegel vor. Mit einem saloppen Kopfsprung landete ich im Wasser, wobei mir das verdammt kalte Nass sofort die Puste nahm. Prustend tauchte ich auf und versuchte mit Isolde Tempo zu halten, was ich nach der zweiten Bahn jedoch schnaufend aufgab und mich unauffällig hinter Sophie einreihte. Aber auch diese legte ein Tempo vor, bei dem ich nicht mithalten konnte. Ich hatte de facto NULL Kondition.
Dennoch hielt ich bis zum Schluss tapfer durch, wenn ich mich auch eines gewissen Schamgefühls nicht erwehren konnte. Selbst Lore kraulte wie ein Weltmeister Bahn für Bahn, als wäre es das Normalste auf der Welt. Taktvollerweise äußerte sich keine der Damen über das absolute
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