Mallorca Schattengeschichten
Figur tragen. Mit einem Seufzer hatte Kathrin den beiden zugesehen und ihren Blick auf die glitzernden Lichter über dem nächtlichen Hafen schweifen lassen. Die beiden lebten das perfekte Glück. Perfektes Haus, perfekte Kinder, perfekte Beziehung. Wie sollte sie Pia nur beibringen, dass ihr Heinz sie betrog? Doch sie musste es ihrer Freundin sagen.
Kathrin wusste aus Erfahrung, dass es nichts Schlimmeres gab, als von einem solchen Betrug als Letzte zu erfahren. Kathrin war damals lange vollkommen ahnungslos gewesen, aber gemeinsame Bekannte hatten längst gewusst, dass ihr Mann ein Fremdgänger war. Die Mäuler hatten sie sich zerrissen, allerdings nur dann, wenn sie nicht dabei war. Keiner hatte es für notwendig erachtet, ihr reinen Wein einzuschenken. Dabei wäre sie dankbar gewesen, wenn einer ihrer angeblichen Freunde den Mut dazu aufgebracht hätte. Dann wäre sie sich nicht ganz so dumm vorgekommen.
Lange Zeit hatte sie an seine vorgeschobenen Termine geglaubt; sie selbst hatte durch die Agenturübernahme alle Hände voll zu tun und oft bis spät in die Nacht geschäftliche Termine. Auch an den Wochenenden war sie unterwegs. Wer Erfolg haben will, muss sich nach den Kundenwünschen richten und nicht nach fixen Arbeitszeiten.
Das Schicksal aber wollte es, dass Kathrin ihren Mann in einem abgelegenen Restaurant mit angeschlossenem Hotel mit einer anderen Frau überraschte. Im Eingangsbereich hatte sie in einem bequemen Clubsessel auf ihren Kunden gewartet, als ihr Mann mit seiner Geliebten aus dem Restaurant kam, und knutschend in den Aufzug stieg, der zu den Zimmern führte. Eindeutiger hätte die Situation nicht sein können.
Pia und Heinz waren damals die Einzigen gewesen, die sich um sie gekümmert hatten. Die erste Zeit hatte sie in deren Villa mit Pool in den Hügeln von Andratx verbracht. Dort war ihre neue Liebe erwacht. Die Liebe zu Mallorca. Ihr Refugium, ihr Zufluchtsort.
Kathrins Erfolg ermöglichte es ihr, sich ein Apartment in Pias Nachbarschaft zu leisten. Sie liebte die Atmosphäre dieses Naturhafens mit seinen Fischern, die zwischen den Jachten hinausfuhren, um anschließend ihren Fang direkt am Hafen zu verkaufen. Manchmal flog sie auch nur für einen Tag hin, bloß um kurz ihrem Alltag zu entfliehen.
Heinz und die Unbekannte verließen turtelnd das Café. Sie schlenderten zu seinem Wagen, stiegen ein und fuhren davon.
Kathrin folgte ihnen in einem Taxi bis zu einem kleinen Hotel, das beide eng umschlungen betraten. Zweifellos: Heinz hatte eine Geliebte.
Sie bat den Taxifahrer, zu ihrer Wohnung in Hamburgs Stadtmitte zu fahren.
Kathrin musste sich eine schonende Möglichkeit überlegen, Pia den Betrug beizubringen. Sie setzte Kaffee auf und nahm eine Zigarette aus der Packung. Bei der zehnten gestand sie sich ein, dass es keine schonende Art gab, jemandem so etwas beizubringen.
Pia war schon immer für ein klares Wort gewesen.
Was hatte sie damals zu ihr gesagt? Kathrin, davon geht die Welt nicht unter. Sei froh, dieses miese Stück los zu sein. Pia wetterte über Kathrins oberflächliche Freunde und erklärte, sie würde es auf jeden Fall wissen wollen, um nicht auch noch die Schmach hinnehmen zu müssen, als Letzte davon zu erfahren.
Entschlossen drückte sie die Zigarette im Aschenbecher aus und wählte die Nummer ihrer Freundin. Pia ging sofort an den Apparat.
»Hey, ich bin´s. Ich komme ja heute Nacht. Hast du morgen Zeit? Ich muss mit dir reden.«
Im Hintergrund hörte sie die Kinder toben. »Gebt Ruhe! Mama ist am telefonieren. Hi, Kathrin, was gibt´s denn?«
»Das ist eine lange Geschichte. Also, wie sieht´s morgen aus?« Das Wochenende stand vor der Tür, und sicherlich konnte Pia sich freimachen.
»Heinz ist übers Wochenende auf Geschäftsreise, und die Kinder fahre ich zu ihren Freunden. Wir haben also alle Zeit der Welt.«
»Ist elf Uhr zu früh?« Kathrin drehte es den Magen um. Von wegen Geschäftsreise. Heinz würde sich zwei Tage lang mit dieser Dunkelhaarigen amüsieren.
Am nächsten Morgen fuhr Kathrin gleich nach ihrer Ankunft zu Pia. Die ganze Nacht hatte sie gegrübelt, wie sie es Pia sagen sollte. Es gab nur einen Weg. Den direkten.
Pia öffnete gut gelaunt mit einem halb leeren Sektglas in der Hand die Haustür und pfiff auf dem Weg in die Küche fröhlich vor sich hin. Kathrin folgte ihr. Auf dem gedeckten Frühstückstisch sah sie einen Strauß Blumen.
»Von Heinz«, kommentierte Pia, die Kathrins Blick aufgefangen hatte. »Seine Art,
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