Mallorca Schattengeschichten
fiel ihm schwer. Robert drehte sich auf alle viere und klammerte sich an die Küchentheke, um sich hochzuziehen. Er zuckte mit der Hand zurück. Langsam begriff Robert. Um ihn herum Hitze, Rauchgeruch ... Feuer!, schrie er innerlich. Der Rauch griff erbarmungslos nach seiner Lunge. Aus dem Wohnzimmer kam ein bedrohliches Knistern. Zurück auf die Knie! Unten bleiben, beschwor er sich. Er kroch zum Tisch. Der Schlüssel, seine Hoffnung. Roberts Finger tasteten über die heiße Oberfläche. Da! Endlich. »Verdammt!« Schreiend ließ Robert das Metall fallen. Hastig riss er ein Stück aus seinem Seidenhemd, umwickelte den Schlüssel, robbte zur Haustür. Seine Knie schmerzten, sein Kopf dröhnte. Vorsichtig öffnete er die Tür und blickte in den nebligen Patio. Er krabbelte weiter. Der Rauch lichtete sich und wich der brennenden Hitze. Schweiß schoss ihm aus allen Poren. Mühsam richtete er sich auf und schaute zum Tor. Die Flammen im Hintergrund tauchten das Tor in ein leuchtendes Orange. »Ein Robert Heinzmann gibt nicht auf«, röchelte er.
Die Schweißtropfen auf seiner Haut schienen zu kochen. Bei jedem Schritt zog die Schuhsohle zähe Fäden. Robert griff nach dem Vorhängeschloss und schrie. Ungläubig schaute er auf seine verbrannten Finger. Er nestelte an seinem Hemd und umwickelte das Schloss mit dem Stoff. Die Seide schmolz in seiner Hand zusammen.
»Wieso hilft mir keiner?«, keuchte er.
Roberts letzter Gedanke galt seinem Geniestreich, mit der Steineiche den Weg zu blockieren, bevor er das Bewusstsein verlor.
Ein infernalischer Krach drang an Roberts Ohren. Er holte tief Luft und hustete. Wasser? Er lag im Wasser? Wo war er? Seine Gedanken mühten sich zäh durch ein Dickicht der Benommenheit. Er öffnete die Augen. Langsam drehte er sich auf den Rücken. Alles tat ihm weh. Wieder dieser Höllenlärm. Er blickte nach oben. Der Wasserschwall des Löschhubschraubers traf ihn mit voller Wucht.
Ein kreischendes Geräusch auf der anderen Seite des Tores ließ ihn den Kopf drehen. Da sprang das Tor aus den Angeln, und das angespannte Gesicht eines Feuerwehrmanns schaute Robert an.
Gestern fielen in Galilea 40 Hektar Wald- und Buschgebiet einem Brand zum Opfer. Die Umweltbehörde konnte den Wachturm nicht besetzen, da ein gefällter Baum die Straße blockierte. Durch den starken Wind war es den Löschflugzeugen erst nach Stunden möglich, ihre Arbeit aufzunehmen. Dank der Löschhubschrauber und des unermüdlichen Einsatzes der Feuerwehr konnte ein Mann in letzter Sekunde gerettet werden. Er wurde mit schweren Verbrennungen nach Son Espases eingeliefert. Die Polizei geht nicht von Brandstiftung aus.
»Verdient hat es der Irre vom Berg ja nicht gerade, dass wir ihn aus den Flammen geholt haben.« Der Feuerwehrmann ließ die Zeitung sinken und griff nach dem Kaffee, den der Dorfwirt servierte.
Der Wirt zuckte mit den Schultern. »Naja, jeder bekommt früher oder später seine Rechnung.« Mit diesen Worten stellte er die zweite Tasse vor Pablo ab.
Pablo grinste: „Ja, und meine kann er jetzt wenigstens noch bezahlen!“
El fugitivo de la isla / Inselkoller
Herbert war es leid. Er wollte nur noch weg. Alles zerrte an seinen Nerven - die Sonne, das Meer, die Menschen, die Enge der Insel. Nicht jeden packte eines Tages der Inselkoller, aber wenn, dann wurde die Begrenztheit der Insel zum Gefängnis. Nun war Mallorca nicht gerade ein unangenehmer Platz, um gefangen zu sein, aber wenn man in alle Himmelsrichtungen fahrend immer ans Meer gelangte, dann zeigten sich die Grenzen der eigenen Mobilität sehr deutlich.
Vor fünf Jahren war Herbert sich sicher, ihn beträfe das nie, und er belächelte diejenigen, die regelmäßig die Insel verließen. Besonders amüsierte ihn, dass ausgerechnet solche, die sich zuvor in Deutschland über Jahrzehnte hinweg nur in einem Umkreis von dreißig Kilometern bewegt hatten, nun die Ersten waren, die ausbrechen wollten.
Diesmal lachte er nicht. Er war Betroffener. Herbert glaubte, es keinen Tag länger hier auszuhalten. Brüllend saß er auf seiner Terrasse, das Telefon in der Hand, sein Notebook vor sich. Streik, ausgerechnet jetzt! Er war verzweifelt, seine Stirn schweißnass - keine Flüge, keine Fähre. Ihm war mittlerweile vollkommen egal, wohin; Hauptsache, runter von dieser Insel. Er fühlte sich wie ein erstickender Fisch an Land, während er unablässig in sein Telefon schrie, das Schweigen am anderen Ende ignorierend; der Mitarbeiter der
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