Mallorca Schattengeschichten
gemeinsame Zeit mit ihm verbringen wollte, diese Gespräche und Streitereien hatte er längst verdrängt. Sie hatte doch ein schönes Leben. Eine Villa, Friseurbesuche, Privattrainer, Sportwagen und gesellschaftliches Ansehen. Aber das reichte diesem Miststück offenbar nicht.
Er hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Joana betrat die Küche und bedachte ihn mit einem Kuss auf die Wange - so wie sie es schon seit Jahren tat. Die anfängliche Leidenschaft war im Laufe der Zeit abgekühlt, aber ihm hatte dies wegen der vielen Arbeit und der Bewunderung durch seine Studenten nie etwas ausgemacht.
Heute sah er das allerdings anders und hätte ihr am liebsten eine Szene gemacht. Aber das konnte er nicht ... noch nicht.
Joana stellte zwei abgedeckte Körbe auf die Anrichte. Jorge folgte ihr. Er wollte sehen, ob er ihr den Betrug nicht doch irgendwie in ihrem makellosen Gesicht würde ablesen können. Lange betrachtete er sie. »Wo warst du?«
»Na, nach was sieht es denn aus? Ich war bei Mari Ángeles. Wir haben ihren Feigenbaum geplündert. Endlich kann ich wieder Marmelade einkochen. Ich sollte dieses Mal mehr machen, damit sie nicht wieder im Mai ausgeht.« Joana hob ein Tuch an und nahm zwei Feigen heraus. »Hier probier. Sie sind einfach zu köstlich.« Genussvoll steckte sie sich eine in den Mund.
Jorge nahm die Feige und verzog sich ins Wohnzimmer, wo er die Frucht in Händen drehte. Seine Rachegedanken ließen ihn nicht mehr los.
In der Nacht lag er wach und überlegte, wie er es seiner Frau heimzahlen könnte. Als er morgens in die Küche ging und die Feigen sah, schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Die Feigenmarmelade. Ihm selbst war sie zu süß, aber Joana mochte keinen Tag ohne ihren Marmeladentoast beginnen. Perfekt. Gut gelaunt verließ er das Haus.
In seinem Labor nahm er das Arsengemisch aus dem Giftschrank und überprüfte dessen Zusammensetzung. Sie war genau richtig. Freudig erregt fuhr er nach Hause.
Das Arsen unter den Gelierzucker zu mischen, war ein Kinderspiel. Sein Geniestreich bereitete ihm glänzende Laune, die sich noch steigerte, als er abends feststellte, dass unzählige Gläser mit Feigenmarmelade in der Küche standen. Joana war sehr fleißig gewesen.
Jorge marschierte pfeifend in sein Arbeitszimmer, schenkte sich einen großen Suau zur Belohnung ein, nippte an dem Brandy und freute sich darauf zu sehen, wie sich die Dinge weiterentwickeln mochten.
Jeden Morgen saß Jorge mit zufriedenem Grinsen am Frühstückstisch und beobachtete mit Genugtuung, wie seine Frau sich ihren Toast schmierte. Joana schwärmte, die Marmelade sei wegen der Zugabe einer Zimtstange besonders gut geworden, und bot ihm eine Scheibe Toastbrot an, die er lachend ablehnte.
»Ich gönne dir diese Leckerei von ganzem Herzen, Cariño .« Mit aufsteigendem Hochgefühl steckte er seine Nase in die Última Hora , und es fiel ihm schwer, sich auf den Zeitungsartikel über den geplanten Abriss einiger Häuser im Naturschutzgebiet zu konzentrieren.
Es verging ein Monat, bis er die ersten Anzeichen einer Arsenvergiftung an seiner Frau bemerkte. Joanas sonst so frische Haut wurde langsam fahl und grau. »Geht es dir nicht gut, Cariño ?« Zärtlich strich er ihr über das Haar. Jorge bereitete es besonderes Vergnügen, ihr den treu sorgenden Ehemann vorzugaukeln.
»Vermutlich nur eine Sommergrippe. Mein Körper schmerzt. Die ganze Nacht habe ich kein Auge zugemacht. Ich wusste gar nicht, dass einem so viele Knochen auf einmal wehtun können.« Sie räusperte sich. »Verschleimte Bronchien habe ich auch.« Joana ließ den Kopf auf den Küchentisch sinken.
»Dann leg dich hin und schlaf noch ein bisschen. Etwas Ruhe wird dir guttun.« Jorge küsste sie auf das Haar. »Gute Besserung.« Er nahm sein Mittagessen und die Thermoskanne mit Früchtetee, packte beides in seinen Aktenkoffer und verließ das Haus. Auf dem Weg zum Auto summte er vergnügt.
Mit jeder Woche ging es Joana schlechter. Mittlerweile hatte sie ihren Arzt aufgesucht. Der konnte jedoch so weit nichts feststellen, außer, dass sie an Gewicht verloren hatte und wahrscheinlich mit einem besonders hartnäckigen Infekt kämpfte. Er riet ihr, Anstrengungen zu vermeiden und sich vitaminreich zu ernähren.
Jorge brachte ihr frische Früchte und zwei Scheiben Toast mit Feigenmarmelade ans Bett. Sie lächelte ihn dankbar an. Trotz ihrer Beschwerden quälte sie sich weiterhin jeden Morgen aus dem Bett, um Jorge für seinen Tag an der
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