Mallorca Schattengeschichten
Tablett fallen. »Es brennt!« Er rannte zum Tisch, riss die brennende Tischdecke zu Boden und trampelte das Feuer mit den Füßen aus.
Vera stand schweigend in der Tür.
Matti schaute sie mit vorwurfsvollem Blick an. »Ich habe dir schon tausend Mal gesagt, dass du mit den Kerzen besser aufpassen musst. Mensch, Vera, das hätte übel ausgehen können.«
»Ach, du übertreibst. Außerdem war die Tischdecke nicht sehr teuer. Für mich gehören Kerzen nun mal dazu. Viel schlimmer ist, dass das Essen halb auf dem Boden liegt.« Vera schob den Fisch zurück auf die Servierplatte.
»Da kann man aber noch was retten.« Matti nahm ihr das Tablett ab und verschwand in der Küche.
Vera wischte den Tisch ab und stellte flugs neue Kerzen auf.
Matti schüttelte den Kopf, als er mit dem Essen rauskam. »Dir ist nicht zu helfen.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Kennst mich doch. Kerzen müssen sein.«
Vera räumte in der Küche auf. Wie schon häufiger verspürte sie eine Art Präsenz im Raum. Von Beginn an empfand sie sich im Haus umfühlt, als ob sie nicht alleine wäre. Vera spürte keine Angst: sie kam sich vielmehr auf die eine oder andere Weise beschützt vor. An manchen Tagen glaubte sie gar, eine Bewegung im Zimmer wahrzunehmen, die allerdings nie wirklich fassbar war. Sie vermied bisher, mit jemandem darüber zu sprechen, denn sie wollte nicht als wunderliche, alleinstehende Frau gelten. Sie stellte die letzten Teller in den Schrank und ging mit einem Glas Rotwein in der Hand auf die Terrasse. Ihr Blick fiel auf die angebrannte Tischdecke. Vergeblich versuchte sie, ihre Nachlässigkeit im Umgang mit Kerzen in den Griff zu bekommen. Mit einem Seufzen trank sie ihr Glas leer, blies das Windlicht aus und ging zu Bett. Trotz der geschlossenen Fenster streifte ihr ein Lufthauch übers Gesicht. Sie lächelte und schlief ruhig ein.
Am darauffolgenden Morgen überlegte Vera, ob sie nicht wenigstens Matti irgendwann von den kleinen Geschehnissen im Haus erzählen sollte - er würde sie bestimmt nicht für bescheuert halten.
Sobald die Sonne unterging, kühlte es merklich ab, und Vera beendete den Tag gemütlich im Wohnzimmer. Ihre Teelichter auf dem Boden zauberten einen flackernden Schein in den Raum. Müde lehnte sie sich zurück. Die Teelichter muss ich noch ausmachen, dachte sie, und schlief über diesem Gedanken auf der Couch ein.
Vera erwachte und rieb sich den schmerzenden Nacken. Verwundert blinzelte sie um sich. Das Morgenlicht kam durchs Wohnzimmerfenster, und sie schwang, noch leicht benommen, die Füße zu Boden.
Plitsch! Ihre nackten Zehen berührten die Fliesen. Mit einem Stirnrunzeln versuchte Vera, die Situation zu erfassen. Ihre Füße standen definitiv im Nassen. Hatte es durchs Fenster hereingeregnet - hatte es überhaupt geregnet? Sie schüttelte den Kopf, rieb sich die Augen und sah die Sonnenstrahlen ins Zimmer scheinen. Die frisch geputzten Scheiben erweckten nicht den Anschein.
Ratlos blickte sie um sich. Der Teppich! An der linken Ecke war er angebrannt. Sie hob das Teelicht dort auf. Der leichte Aluminiumboden war aufgerissen ... das flüssige Wachs ausgelaufen. Augenblicklich erfasste sie, wie der Teppich Feuer fangen konnte.
Sie musste mit Matti reden. Nach dem zweiten Klingeln ging er ran.
»Matti, mir ist da was passiert. Also, ähm - ich muss dir dringend was zeigen. Kannst du bei mir vorbeikommen?«
»Du hörst dich komisch an. Geht es dir gut?«, fragte er. »Denn ich bin in Calvià und brauche noch so zwanzig Minuten.«
»Alles okay. Ich warte auf dich. Danke!«
Matti stürmte auf die Terrasse. »Also, was ist los?«
Vera suchte Mattis Blick. »Matti, du hältst mich doch für normal?«
»Klar doch. Was ist denn?«, hakte er nach.
»Heute Nacht ist was Merkwürdiges passiert.« Vera strich sich die Haare zurück. »Also. Ich habe auf der Couch gelesen, natürlich im Kerzenlicht, und ... und bin eingeschlafen.«
»Mit den brennenden Kerzen? Mensch, Vera, wie oft habe ich dir ...«
»Ja, ja, ist ja gut«, unterbrach sie ihn.
Während Vera ausführlich berichtete, erbleichte Matti.
Er atmete tief durch. »Vera, ich muss dir auch was erzählen ... also, ich meine über dein Haus. Du erinnerst dich doch an die rabenschwarzen Wände?«
»Ja, sicher, so was kann passieren, wenn ein Dach jahrelang kaputt ist.« Sie schaute ihn fragend an. »So hast du es mir zumindest erklärt.«
Er schüttelte den Kopf, blickte zu Boden.
»Matti, was ist denn los?«,
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