Mallorca Schattengeschichten
nicht über das Schicksal nach. Sie war bodenständig und stand mit beiden Beinen in ihrem neuen Leben auf Mallorca. Dieses Leben begann vor zwei Jahren, als sie ihr kleines Steinhaus an der Steilküste von Valldemossa bezog. Ein Glücksgriff, den sie Matti, ihrem ehemaligen Arbeitskollegen und guten Freund zu verdanken hatte.
Matti war bereits vor fünf Jahren auf die Insel gezogen. Die stressige Arbeit in der Werbeagentur in Zürich hatte Matti einen Warnschuss in Form eines Herzinfarktes beschert. Er hatte die für ihn einzige vernünftige Konsequenz gezogen und führte jetzt ein wesentlich ruhigeres Leben in Deià. Er kaufte alte Häuser und renovierte sie, um sie anschließend zu verkaufen.
Als Vera den Platz vor drei Jahren zum ersten Mal gesehen hatte, war ihr klar geworden, dass sie hier leben wollte; mit Aussicht auf das Meer und dem Blick auf die Berge der Tramuntana.
Vera saß auf ihrer Terrasse und sog wohlig die warme Morgensonne auf. Sie schaute auf die Uhr. So spät schon?, dachte sie. Wenn sie in der Markthalle noch frischen Fisch bekommen wollte, dann musste sie jetzt los. Heute war sie mit dem gemeinsamen Kochabend dran, und sie wollte Matti mit einer Dorade in Salzkruste überraschen.
Verschwitzt kam sie aus Palma zurück. Das hektische Gewusel in der Markthalle konnte sie nicht jeden Tag ertragen.
Die vollgepackten Einkaufstaschen stellte sie auf die Küchentheke, die den Arbeitsbereich vom Holzesstisch trennte. Eigenhändig hatte sie die Theke mit Natursteinen verkleidet. Schmunzelnd dachte sie an ihre Flüche, als die Steine zuerst nicht halten wollten.
Vera liebte strukturierte Vorgänge, und so ging sie auch jetzt vor. Geschickt nahm sie die Dorade aus, und legte sie an die Seite. Die Kräuter für die Füllung hackte sie klein und schob sie vom Schneidbrett in ein Schälchen. Paprika, Zucchini, Zwiebel, Gurke, Aubergine landeten in akkuraten Stückchen in getrennten Schüsseln.
Beim ersten Besuch des heruntergekommenen Hauses hatte sie nicht geglaubt, es könne sich je in ein Wohnhaus verwandeln. Das teilweise eingefallene Dach und die schwarz eingefärbten Wände ließen sie zweifeln. Heute war es ihr Zuhause, und jedes Teil hatte seinen Platz gefunden.
Vera begeisterte sich für Kerzenlicht in jeder Form. In der Küche baumelte ein Windlicht in Form eines gläsernen Fesselballons von der Decke, verschiedene Kerzenleuchter verteilten sich im ganzen Haus.
Im Wohnzimmer genoss sie es, Teelichter um den roten Teppich herum zu verteilen. Mit einem Buch machte sie es sich dann auf der cremefarbenen Couch gemütlich.
Leider war die sonst so strukturierte Vera im Umgang mit Kerzen nachlässig und vergaß oftmals, diese auszumachen.
Auch für diesen Abend dekorierte Vera den Tisch auf der Terrasse mit Kerzen. Sie warf einen zufriedenen Blick auf den Esstisch.
Im Ofen garten der Gemüseauflauf und der Fisch in seiner Salzkruste.
Es klingelte. Vera zündete die Kerzen an und öffnete das Tor. »Hallo Matti, wie immer überpünktlich.«
»Ja, du kennst mich doch. Außerdem weiß ich, dass du genau auf Uhrzeit kochst.« Matti küsste Vera rechts und links auf die Wange. »Hier, ich habe uns einen Rosé mitgebracht.«
»Danke.« Vera nahm den Wein. »Oh, der ist ja sogar noch kalt. Geh schon mal auf die Terrasse. Ich komme gleich.«
Vera kam mit der geöffneten Flasche und einem Weinkühler aus der Küche. »Hier, kannst du schon mal einschenken?«
Matti füllte die Gläser, während sie das Tablett mit dem Gazpacho samt den Gemüseschälchen auf den Tisch stellte.
»Das sieht aus, als hättest du das Gemüse mit dem Lineal geschnitten«, sagte Matti und ließ Zwiebelstückchen in die Suppe gleiten.
Vera lachte. »So bin ich eben, ich kann nicht anders.« Sie hob ihr Glas. »Prost, Matti.«
» Salut . Und danke für die Einladung.«
Eine laue Brise wehte vom Meer herüber.
Vera räumte die Schalen in die Küche und holte den Fisch aus dem Ofen.
»Matti? Kannst du die Salzkruste wegschlagen?«, rief Vera.
»Komme.«
Während Vera das Gemüse aus dem Backofen in eine Schüssel füllte, schlug Matti mit einem Löffel auf die Kruste.
»Die Dorade sieht lecker aus!« Er schob die letzten Salzreste beiseite.
Ein Windstoß schlug das Küchenfenster zu.
»Oh, es frischt auf. Wir essen aber trotzdem draußen, oder?« Vera schaute Matti an.
»Klar, ich bring schon mal den Fisch raus.« Matti wandte sich zur Tür. »Scheiße!«, schrie Matti auf, und ließ das
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