Malloreon 2 - König der Murgos
sehen. Hinter dem noch schwelenden Haus befand sich ein Erdkeller, dorthin brachten sie die Leichen. Dann nahm Garion eine Fackel und entfernte sich ein wenig vom Haus, damit Belgarath das Signal sehen konnte. Die Scheune war trocken, und das Feuer, das Durnik auf einer sorgsam geräumten Stelle des Steinbodens machte, verbreitete bald wohlige Wärme.
»Hier ist es ja richtig gemütlich!« rief Ce'Nedra, während sie lächelnd auf die tanzenden Schatten an den Wandel und Deckenbalken schaute. Sie setzte sich auf einen würzig duftenden Heuballen. »Und das Heu wird wundervolle Betten abgeben. Ich wünschte, wir könnten jede Nacht so eine Scheune finden.«
Garion drehte sich rasch um, und trat ans Scheunentor um hinauszublicken; denn er befürchtete, jetzt nicht Herr seiner Stimme zu sein. Er war auf einem Hof aufgewachsen, der sich gar nicht so sehr von diesem hier unterschied, und der Gedanke, daß eine Schar plündernder Soldaten über Faldors Hof herfiel, ihn in Band steckte und alle dort mordete, erfüllte ihn mit Grimm. Ein plötzliches Bild schob sich vor sein inneres Auge. Die schattenhaften Gesichter der gepfählten Murgos hätten leicht die der Freunde aus seiner Kindheit sein können. Diese Vorstellung erschütterte ihn zutiefst. Die Toten hier waren Murgos, aber auch sie waren Bauern gewesen, und irgendwie fühlte er sich plötzlich mit ihnen verbunden. Die Greuel, die man ihnen angetan hatte, wurden zur persönlichen Beleidigung für ihn, und finstere Gedanken erwachten.
21
A m Morgen regnete es wieder, ein Nieseln, durch das die Landschaft verschwommen wirkte. Als sie aus den Ruinen des Bauernhofs ritten, trugen sie wieder die grüne Sklavenhändlerkleidung. Sie machten sich nordwärts auf den Weg und hielten sich ans Ostufer des Sees.
Garion ritt schweigsam dahin, seine Gedanken waren so düster und bleiern wie der See zu seiner Linken. Der Zorn, der ihn am vergangenen Abend gepackt hatte, war einer eiskalten Entschlossenheit gewichen. Gerechtigkeit, hatte er gelernt, war nichts weiter als Wunschdenken, doch falls die malloreanischen Meuchler, die für diese Greueltat verantwortlich waren, ihm je über den Weg liefen, würde er aus diesem Wunschdenken sofortige Wirklichkeit machen. Er wußte, daß Belgarath und Polgara nicht billigen würden, was er beabsichtigte, deshalb schwieg er und dachte über Vergeltung nach, wenn schon nicht über Gerechtigkeit.
Als sie die schlammige Straße erreichten, die vom Nordende des Sees südostwärts nach Rak Cthaka führte, sahen sie, daß sie von verängstigten, zum größten Teil ärmlich gekleideten murgosischen Zivilisten verstopft war, die Bündel an sich drückten mit der wenigen Habe, die sie hatten retten können.
»Wir werden diese Straße nicht nehmen«, bestimmte Belgarath. »Es wäre zu zeitraubend, versuchten wir durch diese Flüchtlingsscharen hindurchzukommen.«
»Wollen wir überhaupt noch nach Rak Cthaka reiten?« fragte ihn Sadi.
Belgarath blickte auf den Flüchtlingszug. »Ich glaube nicht, daß wir in Rak Cthaka ein Floß bekommen könnten, geschweige denn ein Schiff. Reiten wir südwärts durch den Wald, das ist besser als durch übersichtliches Gebiet in Feindeshand. In Fischerdörfern lassen sich Boote leichter mieten als im Hafen einer größeren Stadt.«
»Reitet ihr doch schon voraus«, schlug Silk vor. »Ich möchte gern erst ein paar Fragen stellen.«
Belgarath nickte. »Das ist keine schlechte Idee. Aber halte dich nicht zu lange damit auf. Ich würde den Großen Südwald gern irgendwann vor Ende des Winters erreichen, wenn es möglich ist.«
»Ich begleite ihn, Großvater«, erbot sich Garion. »Ich brauche Ablenkung.«
Die beiden ritten durch das kniehohe Gras zu dem breiten Strom furchterfüllter Flüchtlinge, die südwärts flohen. »Garion«, sagte Silk und zügelte sein Pferd, »ist das nicht ein Sendarier – der mit dem Schubkarren?«
Garion beschirmte die Augen vor dem Regen und spähte zu dem stämmigen Burschen, auf den Silk gedeutet hatte. »Dem Aussehen nach könnte er einer sein. Aber was hätte ein Sendarier hier in Cthol Murgos verloren?«
»Warum fragen wir ihn nicht? Sendarier erzählen leidenschaftlich gern; vermutlich können wir von ihm erfahren, was vorgeht.« Der kleine Mann ritt im Schritt zur Straße, bis er sich neben dem stämmigen Mann mit der Schubkarre befand. »Guten Morgen, Freund«, grüßte er höflich. »Ihr seid aber fern von zu Hause, nicht wahr?«
Der Stämmige setzte den Schubkarren
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