Malloreon 3 - Dämon von Karanda
blieb mit plötzlich wachsamem Blick stehen.
Sie wandte sich wieder an Urvon. »Ich bin bestürzt, daß man mir Eure Vergöttlichung nicht mitteilte, Urvon. Denn hätte ich davon erfahren, wäre ich gekommen, Euch zu huldigen und Euren Segen zu erflehen.« Ihre Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Lächeln. »Ihr?« spottete sie. »Ihr, ein Gott? Und wenn Ihr durch alle Ewigkeit auf Toraks Thron sitzt, während seine schäbige Ruine um Euch zerfällt, werdet Ihr doch nie ein Gott! Sonnt Euch in der kriecherischen Verehrung Eurer feigen Hunde, die bereits jetzt Euren Thronsaal mit ihrem stinkenden Kot verunreinigen, aber ein Gott werdet Ihr nie! Lauscht gierig den Worten Eures zahmen Dämons Nahaz, der Euch in diesem wie jedem Augenblick den Rat des Wahnsinns ins Ohr flüstert, doch ein Gott werdet Ihr nie!«
»Ich bin ein Gott!« schrie Urvon und sprang erneut auf.
»Und? Vielleicht ist es, wie Ihr sagt, Urvon«, schnurrte sie nun fast. »Aber wenn Ihr ein Gott seid, kann ich Euch nur raten, Eure Gottheit zu genießen, solange das möglich ist, denn genau wie es der verstümmelte Torak war, seid Ihr dem Tod geweiht!«
»Wer hätte die Macht, einen Gott zu töten?« geiferte er.
Ihr Lachen war furchteinflößend. »Wer die Macht hat? Er, der Torak das Leben nahm. Bereitet Euch auf den tödlichen Schlag von Eisenfausts glühender Klinge vor, die das Blut Eures Meisters vergoß, denn ich rufe nun den Gottbezwinger!«
Sie streckte die Arme aus und legte das verhüllte Bündel, das sie unter ihrem schwarzen Umhang verborgen gehabt hatte, auf den schwarzen Altar. Dann hob sie das Gesicht und blickte geradewegs in den Spalt, durch den Garion wie gelähmt hinunterstarrte.
»Seht Euren Sohn an, Belgarion!« rief sie zu ihm hoch, »und lauscht seinem Weinen!« Sie schlug die kleine Decke zurück und entblößte den Säugling Geran. Das Gesicht des Babys war furchtverzerrt. Es begann zu wimmern. Es war ein trostloser Laut.
Alle Vernunft verließ Garion. Es war das Wimmern, das er immer wieder gehört hatte, seit sie Mal Zeth verlassen hatten. Es war also nicht das Weinen des sterbenden Kindes aus den pestverseuchten Straßen gewesen, das ihn in seinen Träumen verfolgt hatte. Es war die Stimme seines eigenen Sohnes! Er konnte diesem schrecklichen Wimmern nicht widerstehen und sprang auf die Füße. Ihm war, als loderten plötzlich Flammen vor seinen Augen, Flammen, die alles aus seinem Verstand löschten, außer dem verzweifelten Bedürfnis, zu dem wimmernden Kind auf dem Altar unten zu eilen.
Verschwommen wurde ihm bewußt, daß er durch die düsteren, laubübersäten Korridore rannte und brüllend Eisenfausts Schwert aus der Scheide riß.
Die zerfallenden Türen leerer Gemächer flogen an ihm vorbei, während er dahinraste. Vage hörte er Silk verstört rufen: »Garion! Nein!« Doch er achtete nicht darauf, sondern rannte dahin, das mächtige, nun glühende Schwert vor sich ausgestreckt.
Selbst Jahre später konnte er sich nicht entsinnen, wie er die Treppe hinuntergekommen war. Er erinnerte sich lediglich, daß er rasend vor Wut auf dem unteren Gang ankam. Tempelwachen und Karandeser erwarteten ihn dort, doch sie wichen vor ihm zurück und versuchten nur halbherzig, sich ihm entgegenzustellen. Doch er packte den Griff seines Schwertes mit beiden Händen, schwang es in rasender Wildheit und stürmte durch sie hindurch. Viele, die nicht rechtzeitig zur Seite sprangen, blieben in ihrem Blut zurück.
Die schwere Tür zum Thronsaal war geschlossen und verriegelt. Garion versuchte gar nicht, sich der Zauberei zu bedienen – er vernichtete die Tür und jene, die verzweifelt versuchten, sie geschlossen zu halten, mit seinem glühenden Schwert.
Das Feuer der Besessenheit füllte seine Augen, als er brüllend in den Thronsaal stürzte. Die Männer dort starrten furchtgelähmt auf die schreckliche Gestalt des Gottbezwingers, der sich ihnen in einem Strahlenkranz blauen Lichtes näherte. Seine Lippen waren zu einem Knurren gefletscht, und sein mächtiges Schwert schwang lodernd unentwegt vor ihm hin und her.
Mit erhobenem Arm sprang ihm ein Grolim in den Weg. Garion stockte nicht, und die anderen Grolims sahen mit Entsetzen, daß die Schwertspitze plötzlich aus dem Rücken des tollkühnen Priesters ragte. Garion riß sein Schwert zurück, ohne innezuhalten.
Nun stellte sich ihm ein Karandeser ihn den Weg. Er hielt einen Stab in der Hand, mit einem Totenschädel als Knauf, und murmelte verzweifelt eine Beschwörung.
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