Malloreon 3 - Dämon von Karanda
Stern von Jarot auf Nimmerwiedersehen. Er bedauerte es nicht. Er nahm sich nicht einmal Zeit, das Schiff zu verfluchen, das die letzten sechs Jahre sein Zuhause gewesen war. Balsca war philosophisch veranlagt, wenn er sich einmal einer unangenehmen Lage entzogen hatte, hegte er keinen Groll mehr.
Im Hafen verkaufte er das Beiboot an einen Mann mit verschlagenem Blick und nur einer Hand. Balsca täuschte Trunkenheit vor, und der Verstümmelte – dessen Rechte man zweifellos als Bestrafung für Diebstahl abgehackt hatte – bezahlte ihm ein bißchen mehr dafür, als er es am hellichten Tag getan hätte. Balsca war sofort klar, was das bedeutete. Er schlang sich den Seesack über die Schulter, torkelte den Pier hoch und stieg die steile Kopfsteinpflasterstraße empor. An der ersten Ecke bog er unerwartet nach links ab und lief dahin wie ein leichtfüßiges Reh, so daß die Bande, die der Einhändige auf ihn angesetzt hatte, weit zurück blieb. Balsca war nicht intelligent, aber ein Dummkopf war er beileibe, nicht. Er rannte, bis er Luft holen mußte, aber da war er schon ein beachtliches Stück vom Hafen mit all seinen Gefahren entfernt. Er kam an einigen Schenken vorbei, auf die er nur einen bedauernden Blick warf. Er hatte noch etwas zu erledigen, und dazu brauchte er einen klaren Verstand. In einem kleinen Laden, der gut in einer dunklen, übelriechenden Gasse versteckt lag, verkaufte er Kapitän Holzfuß' geschmuggelte Schätze und feilschte bis zum letzten Kupferstück mit der schwabbelig fetten Inhaberin. Sogar seinen guten Seemannsmantel tauschte er gegen bürgerliche Kleidung ein. Als er die Gasse verließ, sah man ihm den Seemann nicht mehr an – wenn nicht sein rollender Gang gewesen wäre, der jedem noch eine Weile anhaftete, der Monate auf See verbracht hatte.
Er vermied die Hafengegend mit ihren Banden und billigen Grogstuben und begab sich statt dessen in eine ruhigere Straße, die an bretterverschlagenen Lagerhäusern vorbeiführte. Ihr folgte er, bis er zu einer ruhigen Bierstube kam, wo ihn eine vollbusige Schankmaid ziemlich mürrisch bediente. Ihre schlechte Laune rührte offenbar daher, daß er der einzige Gast war und sie vorgehabt hatte, zu schließen und ins Bett zu gehen – oder auch in das eines anderen. Er heiterte sie etwa eine Stunde lang auf, dann ließ er ein paar Kupfermünzen auf dem Tisch für sie und drückte zum Abschied ihren vollen Busen, ehe er auf Suche nach weiteren Abenteuern auf die leere Straße hinaustorkelte.
Unter einer rauchigen Fackel an einer Ecke fand er die wahre Liebe. Elowanda, sagte sie, sei ihr Name. Balsca vermutete, daß sie da nicht ganz ehrlich war, doch war es nicht ihr Name, der ihn interessierte. Sie war noch sehr jung und ganz offensichtlich krank. Sie hatte starken Husten, eine heisere, krächzende Stimme, und ihre gerötete Nase rann ohne Unterlaß. Sie war auch nicht sonderlich sauber und roch nach Schweiß von mindestens einer Woche. Doch Balsca hatte den starken Magen des Seemanns, und sein Appetit war durch sechs Monate erzwungener Abstinenz ins Unermeßliche gewachsen. Elowanda war nicht hübsch, aber billig. Nach kurzem Feilschen führte sie ihn in eine armselige Hütte in einer Gasse, in der es nach verrottenden Abfällen roch. Obwohl er stockbetrunken war, vergnügte Balsca sich mit ihr auf einer abgelegenen Matratze, bis der Morgen graute.
Es war Mittag, als er mit brummendem Schädel erwachte. Er hätte vielleicht noch länger geschlafen, wenn nicht das Schreien eines Säuglings aus einer Kiste in einer Ecke ihn geweckt hätte. Er stupste die bleiche Frau, die neben ihm lag, damit sie aufstehe und ihr brüllendes Balg zur Ruhe bringe. Sie bewegte sich schlaff unter seiner Hand.
Er stupste sie härter, dann stand er auf und betrachtete sie. Ihr Gesicht war in einem schrecklichen Krampf erstarrt – in einem unnatürlichen Grinsen, das sein Blut zum Stocken brachte. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß ihre Haut kalt wie Eis war. Fluchend riß er seine Hand zur Seite, dann zog er vorsichtig eines ihrer Lider zurück. Erneut fluchte er. Die Frau, die sich Elowanda genannt hatte, war tot.
Balsca stand auf und zog sich rasch an. Er suchte die Kammer gründlich ab, fand jedoch nichts, was des Mitnehmens wert gewesen wäre, von den paar Münzen abgesehen, die er der Frau bezahlt hatte. Er steckte sie wieder ein, dann blickte er wütend auf die nackte Leiche auf der Matratze. »Verdammte Hure«, fluchte er und trat sie in die Seite. Schlaff rollte
Weitere Kostenlose Bücher