Malloreon 4 - Zauberin von Darshiva
starrte den alten Mann an, als verstünde er ihn nicht.
»Ich glaube, er hat Schlimmes durchgemacht«, meinte Silk. »Wir haben noch kein Wort aus ihm herausgebracht.«
Belgarath wandte sich an Sadi. »Kannst du ihm etwas zur Beruhigung seiner Nerven geben?«
»Das wollte ich ebenfalls gerade vorschlagen, Ehrwürdiger.« Sadi trat an sein rotes Lederkästchen und holte eine winzige Flasche mit bernsteinfarbenem Inhalt heraus. Er füllte einen Zinnbecher am Tisch mit Wasser, träufelte vorsichtig ein paar Tropfen der Flüssigkeit hinein und rührte sie um. »Trinkt das.« Er streckte dem zitternden Melcener den Becher entgegen.
Dankbar griff der Mann danach und leerte ihn mit ein paar schlürfenden Schlucken.
»Wartet noch ein wenig, bis die Wirkung einsetzt«, sagte Sadi leise zu Belgarath.
Sie beobachteten den verstörten Melcener, bis das Zittern nachließ. »Fühlt Ihr Euch jetzt ein wenig besser, Freund?« erkundigte sich Sadi. »J-ja«, stammelte der dünne Mann. Er holte zittrig Luft. »Danke. Habt Ihr vielleicht etwas zu essen? Ich bin völlig ausgehungert.«
Polgara gab ihm Brot und Käse. »Das dürfte bis zum Frühstück reichen.«
»Vielen Dank, Lady.« Hungrig schlang er es hinunter.
»Ihr seht aus, als hättet Ihr in letzter Zeit einiges erlebt«, meinte Silk. »Und nur Schreckliches«, antwortete der Bürokrat. »Wie, sagtet Ihr, ist Euer Name?« »Nabros. Ich bin von der Straßenverwaltung.« »Wie lange seid Ihr schon in Peldane?«
»Eine Ewigkeit, wie mir scheint, aber es sind wohl nur etwa zwanzig Jahre.«
»Was geht hier vor?« Der Rattengesichtige deutete auf die zerstörten Häuser.
»Das absolute Chaos«, erwiderte Nabros. »Seit Jahren gibt es hier bereits Unruhen, und vergangenen Monat hat Zandramas Peldane annektiert.« »Wie hat sie das gemacht? Ich hörte, daß sie sich irgendwo im westlichen Teil des Kontinents aufhält.«
»Das hörte ich ebenfalls. Vielleicht hat sie lediglich ihre Generäle beauftragt. Man hat sie schon seit Jahren nicht mehr gesehen.«
»Ihr seid offenbar gut informiert, Nabros«, sagte Silk, um ihn zu ermutigen, mehr zu erzählen.
Nabros zuckte die Schultern. »Das gehört dazu, wenn man Bürokrat ist.« Er lächelte schwach. »Manchmal glaube ich fast, daß wir mehr Zeit mit Tratschen verbringen als mit Arbeiten.«
»Habt Ihr in letzter Zeit etwas über Zandramas gehört?« erkundigte sich Belgarath.
Der Mann rieb sich das bartstoppelige Gesicht. »Kurz, ehe ich aus dem Amt in Selda floh, besuchte mich ein Freund aus dem Handelsministerium. Er sagte, daß in Hemil – das ist die Hauptstadt von Darshiva, wißt Ihr? – eine Krönung stattfinden wird. Und zwar soll dort ein Erzherzog aus Melcena zum Kaiser von Mallorea gekrönt werden.«
»Aber Mallorea hat doch schon einen Kaiser!« warf Sammet ein.
»Das ist es ja! Mein Freund vom Handelsministerium ist ein ziemlich schlauer Bursche. Nachdem er mir davon erzählt hatte, verheimlichte er mir nicht, was er vermutet. Kal Zakath war jahrelang in Cthol Murgos, ist jedoch vor kurzem nach Mal Zeth zurückgekehrt. Der größte Teil seiner Streitkräfte befindet sich jedoch noch im Westen, also hat er hier nicht sehr viele einsatzbereite Truppen. Mein Freund meint, daß Zandramas diese Krönung anordnete, um den Kaiser so wütend zu machen, daß er etwas Unüberlegtes tut. Ich nehme an, sie hofft, ihn aus Mal Zeth zu locken, damit ihre Leute über ihn herfallen können. Wenn es ihr gelingt, ihn zu töten, wird dieser Erzherzog aus Melcena tatsächlich Kaiser sein.« »Was soll das alles?« fragte Silk. »Ihr habt doch von Urvon gehört, oder?« »Dem Jünger?«
»Genau. Jahrhunderte saß er in Mal Yaska, doch die Ereignisse in diesem Teil der Welt haben ihn schließlich herausgelockt. Zandramas wegen, wißt Ihr? Sie ist eine Gefahr für ihn. Jedenfalls ist er quer durch Karanda marschiert und hat eine gewaltige Armee um sich gesammelt. Die Karandeser glauben sogar, daß ihm ein Dämon hilft. Das ist natürlich Unsinn, aber den abergläubischen Karandesern kann man ja alles weismachen. Deshalb muß Zandramas – oder ihr Volk – Macht über den Kaiserthron haben. Es ist für sie unbedingt erforderlich, daß die malloreanische Armee aus Cthol Murgos zurückkommt und daß sie die absolute Befehlsgewalt darüber hat, damit sie sie gegen Urvons Truppen einsetzen kann. Denn wenn ihr das nicht gelingt, wird er alles vernichten, wofür sie gearbeitet hat.« Der Bürokrat seufzte tief, und sein Kopf sank auf die
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