Malloreon 5 - Seherin von Kell
könnte ihn gewiß keiner von uns verstehen. Ich nehme an, daß man das Riff eine Zeitlang Torim oder so ähnlich nannte und daß schließlich Turim daraus wurde, das kann sich noch weiter verändern. Ich habe Studien in dieser Richtung betrieben. Ihr müßt wissen, es trägt sich folgendermaßen zu…«
»Würdest du wieder zur Sache kommen?« fragte Belgarath verärgert.
»Bist du denn an Weiterbildung nicht interessiert?«
»Nicht momentan, nein.«
Beldin seufzte. »Also es ist so«, fuhr er fort, »Mit der Schrift legen wir lediglich den Laut eines Wortes nieder. Verändert sich dieser Laut, ändert sich auch die Schreibweise des Wortes. Der Unterschied ist leicht erklärbar.«
»Eure Darlegung war überzeugend, liebenswerter Beldin«, sagte Cyradis, »doch in diesem besonderen Fall wurde die Veränderung des Lautes willkürlich herbeigeführt.« »Herbeigeführt?« staunte Silk. »Von wem?«
»Es waren die beiden Prophezeiungen, Fürst Kheldar. Für den weiteren Verlauf ihres Spieles veränderten sie den Laut des Wortes, um den Ort vor dem Ehrwürdigen Belgarath und vor Zandramas zu verbergen. Diese zwei sollten das Rätsel lösen, ehe die endgültige Begegnung stattfinden würde.«
»Spiel?« rief Silk ungläubig. »Sie trieben ihr Spiel mit etwas so Wichtigem?«
»Diese beiden ewigen Bewußtheiten sind nicht wie wir, Fürst Kheldar. Sie messen sich in unzähligen Dingen. Immer wieder, wenn eine versucht, die Bahn eines Sternes zu ändern, bemüht die andere sich, sie beizubehalten. Oder wenn eine ein Sandkorn bewegen will, setzt die andere ihre ganze Kraft ein, die Bewegung zu verhindern. Solche Kämpfe dauern nicht selten ganze Äonen lang. Das Rätselspiel, für das sie Belgarath und Zandramas benutzen, ist nur eine von vielen Weisen, auf die sie ihren Streit austragen, denn träten sie einander selbst gegenüber, würden sie das Universum zerstören.«
Garion erinnerte sich plötzlich an ein Bild, das sich im Thronsaal von Vo Mimbre vor sein inneres Auge geschoben hatte, ehe er den Murgo Nachak entlarvte. Er hatte vermeint, zwei Gesichtlose bei einem Brettspiel zu sehen, dessen Züge so komplex waren, daß sein Verstand nicht zu folgen vermochte. Er wußte plötzlich mit absoluter Gewißheit, daß ihm da ein Blick auf die höhere Wirklichkeit vergönnt gewesen war, die Cyradis soeben beschrieben hatte. Hast du das mit Absicht gemacht? fragte er die Stimme in seinem Geist. Natürlich. Du hattest ein wenig Ermutigung benötigt, um etwas zu tun, das getan werden mußte. Du bist ein Junge, der etwas für Wettstreit übrig hat, also dachte ich, die Vorstellung des großen Spieles würde dich anspornen. Da fiel Garion noch etwas anderes ein. »Cyradis«, sagte er, »weshalb sind wir so viele, während Zandramas anscheinend fast ganz allein ist?«
»So war es immer, Belgarion. Das Kind der Finsternis ist ein Einzelgänger, so wie Torak es in seinem Stolz war. Ihr dagegen seid bescheiden. Ihr habt Euch nie vorgedrängt, ja seid Euch Eures Wertes nicht einmal bewußt. Das ist ein liebenswerter Zug, Kind des Lichtes, denn Ihr seid nicht aufgeblasen vor Selbstherrlichkeit. Die Prophezeiung der Finsternis hat immer nur eine einzelne Person erwählt und hat dieser einen Person seine ganze Macht übertragen. Die Prophezeiung des Lichtes jedoch hat erwählt, ihre Macht auf viele zu verteilen. Ihr seid zwar der Hauptträger der Bürde, aber alle Eure Gefährten teilen sie mit Euch. Der Unterschied zwischen den zwei Prophezeiungen ist einfach, aber groß.«
Beldin runzelte die Stirn. »So, wie Ihr es sagt, gleicht der Unterschied etwa dem zwischen Absolutismus und geteilter Verantwortung, habe ich recht?«
»In hohem Maße habt Ihr es richtig erkannt, doch ist der Unterschied noch komplexer.« »Ich habe mich nur um Klarheit bemüht.«
»Also das wäre das erste Mal«, brummte Belgarath. Dann wandte er sich an den König von Perivor: »Könnt Ihr uns dieses Riff beschreiben, Majestät? Der Karte ist nicht sehr viel zu entnehmen.« »Gern, Ehrwürdiger Belgarath. In meiner Jugend segelten Wir dorthin, denn das Riff ist ein wahres Wunder. Weitgereiste Seefahrer bestätigen, daß es seinesgleichen kein zweites Mal auf der Welt gibt. Es besteht aus einer Reihe von Felszacken, die aus dem Meer ragen. Sie sind deutlich zu sehen und man kann ihnen ausweichen. Andere Gefahren lauern jedoch unter der Oberfläche. Heftige Gezeiten und Strömungen brausen durch Lücken im Riff, und das Wetter ist dort unberechenbar.
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