Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
und nur die besten Absichten verfolgt haben, Sir Anthony, aber ich frage Sie, wie lange hätte das angedauert? Können Sie wirklich guten Gewissens sagen, dass Sie ihr stets ein treuer Ehemann gewesen wären?«
Anthony öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Er lehnte sich nach hinten und dachte einige Augenblicke nach, ehe er eine Augenbraue in die Höhe zog.
»Der Punkt geht an Sie, Madam. Ich liebe meine Gemahlin Roslynn von ganzem Herzen und würde nicht im Traum daran denken fremdzugehen, aber wie Sie richtigerweise sagten, habe ich mir mehr als zehn Jahre lang die Hörner abgestoßen, bis ich bereit war für die Ehe. Was Adeline betrifft, so lässt es sich nur schwer sagen. Vorzeigegemahl oder der schlimmste Ehemann der Welt? Egal, wie lange ich darüber nachdenke, ich könnte es nicht sagen.«
Sophie nickte und drückte Kateys Hand fester. »Ein wahrlich unglückseliges Ereignis in unser aller Leben. Doch herausgekommen ist dabei dieses wunderbare Kind, wofür wir alle dankbar sein sollten.«
Anthony bedachte Katey mit einem Lächeln. »Wie recht Sie haben. Ihre Mutter ist nie wieder nach Hause gekommen, aber Katey ist endlich ein Mitglied meiner Familie. Haben Sie vielen Dank für all die Antworten, wegen derer wir gekommen sind. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne noch den Brief lesen, den Adeline Ihnen damals geschickt hat.«
»Ich fürchte, ich kann Ihrem Wunsch nicht nachkommen. Ich habe ihn fortgeworfen. Er hat mir das Herz gebrochen und ich habe ihn viel zu oft gelesen. Sie hat mir ebenfalls Vorwürfe gemacht. Und obwohl ich ihr unzählige Briefe geschrieben und sie angefleht habe, nach Hause zu kommen, hat sie mir nicht ein einziges Mal geantwortet. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass sie mir nie verziehen hat.«
»Das würde ich nicht sagen«, meldete Katey sich schnell zu Wort. »Immerhin hat sie Ihnen einen Brief geschrieben, um Sie wissen zu lassen, dass es ihr gut ging. Sie wollte nicht, dass Sie sich Sorgen machen. Und was die Briefe betrifft, die hat sie, wenn ich mich nicht irre, ungelesen in den Kamin geworfen. Ich vermute, sie wollte nicht an ihr altes Leben erinnert werden, jetzt, wo sie ein neues gefunden hatte und glücklich war.«
Sophie herzte Katey für diese Worte. »Es gibt so vieles, über das wir uns unterhalten müssen. Wie wäre es, wenn du noch ein wenig bliebest, damit wir uns besser kennenlernen können?«
Katey hätte gern zugesagt, aber Anthony war dagegen. »Wir wohnen auf Haverston und könnten morgen noch einmal herkommen. Sie ist gerade erst in mein Leben getreten, deshalb ist mein Beschützerinstinkt momentan besonders ausgeprägt.« Um die Schärfe aus seinen Worten zu nehmen, lächelte er, was ihm aber mehr schlecht als recht gelang. Es hing unausgesprochen im Raum, dass er eine weitere Unterhaltung zwischen Letitia und Katey vermeiden wollte. »Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich sie vorerst nicht aus den Augen lasse.«
Kapitel 55
Es war bereits sehr spät, als Anthony und Katey nach Haverston zurückkehrten. Sophie hatte darauf bestanden, dass sie bis zum Abendessen blieben, und Anthony hatte der alten Dame nicht schon wieder eine Bitte abschlagen wollen. Nach dem Abendessen blieben sie noch eine Weile. Sophie und Katey sprachen über weniger schmerzliche Dinge, und Letitia hatte glücklicherweise den Anstand besessen, nicht zu erscheinen, um die gute Stimmung bei Tisch nicht zu ruinieren.
Als sie in der Kutsche saßen – Anthony hatte in beschützender Manier den Arm um seine Tochter gelegt –, nahm er all seinen Mut zusammen und fragte: »Stimmt es dich traurig, was du heute erfahren hast?«
»Nein, im Grunde bin ich erleichtert. Ich habe eine lebhafte Fantasie und weitaus Schlimmeres erwartet.«
»Ich werde Sophie eine Einladung schicken und sie bitten, morgen zu uns zu kommen – alleine. Ich möchte nur ungern, dass Ros und Judy sich mit Letitia abgeben müssen, bin jedoch überzeugt davon, dass die beiden sehr erfreut sein werden, deine Großmutter kennenzulernen. Aus dem, was mir heute Abend so zu Ohren gekommen ist, schließe ich, dass Letitia im Lauf der Jahre so manchen Besucher vergrault hat. Ich kann mir vorstellen, dass Sophie es genießt, mal wieder unter Leute zu kommen und Kinder um sich zu haben.«
»Vermutlich hast du recht. Aber ich werde Letitia nicht immer aus dem Weg gehen. Irgendwann wird sie mich akzeptieren, und wer weiß, vielleicht legt sich ihre Kratzbrüstigkeit
Weitere Kostenlose Bücher