Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
kann ich Ihnen nicht behilflich sein. Ich kenne mich in diesem Teil des Landes leider nicht sonderlich gut aus.«
Die Schottin schnaubte ungehalten. »Dann kann ich mir jedes weitere Wort mit Ihnen sparen. Einen schönen Tag noch.«
Katey schwante, dass dies nicht der richtige Ansatz war, sie an Ort und Stelle zu halten. Die Schottin schien sie bereits vergessen zu haben und hielt fieberhaft nach jemandem Ausschau, der ihr den Weg wies. Fieberhaft dachte Katey nach, wie sie das Gespräch fortsetzen konnte, ohne dabei auf das Verbrechen zu sprechen zu kommen, das die Frau begangen hatte. Damit wollte sie warten, bis der Wachtmeister endlich eintraf.
»Warum die große Eile?«
»Das geht Sie …«
Katey fiel ihr ins Wort. »Habe ich das eben richtig gehört, dass Ihr Gemahl Ihnen nach dem Leben trachtet? Ist es denn wirklich so schlimm?«
»Wenn ich es doch sage. Der Trottel hat sich verprügeln lassen, und jetzt gibt er mir die Schuld dafür und will sich an mir rächen.«
»Rächen? Wofür denn?«
»Weil ich etwas getan habe, das er schon längst hätte tun sollen. Der Scheißkerl hat mich durchs halbe Land gejagt, mir geschworen, er würde mich umbringen, ehe einer der Malo äh, ehe einer von denen, die ihm die Nase eingehauen haben, ihn zu fassen bekommen. Aber egal, das geht Sie alles gar nichts an. Ich muss jetzt los. Geordie kann jeden Augenblick hier auftauchen.«
Im selben Moment setzte sie sich in Bewegung. Unruhig ließ Katey den Blick über den beinahe verwaisten Marktplatz schweifen. Vom Wachtmeister oder dem Jungen, den sie losgeschickt hatte, fehlte noch immer jede Spur.
»Warten Sie, Mrs. Cameron. Ich komme Ihnen bekannt vor, weil Sie mich heute Vormittag auf der Straße angehalten haben. Sie waren auf der Suche nach Ihrer Tochter. Eine Lüge, wie wir beide wissen. Sie haben genauso wenig eine Tochter wie ich.«
Mrs. Cameron wirbelte herum. Binnen Sekunden wandelte sich ihr überraschter Gesichtsausdruck in eine Maske aus Wut und Empörung, und sie stupste Katey mit dem Finger gegen die Schulter. »Dann waren Sie es, die sie mir gestohlen hat? Wenn Sie nicht wären, wäre ich jetzt eine reiche Frau. Wo ist sie?«
»Wieder bei ihrer Familie, wo Sie sie nicht noch einmal in Ihre gierigen Finger bekommen können. Der Wachtmeister ist bereits auf dem Weg, um Sie festzunehmen. Haben Sie wirklich geglaubt, Sie kämen damit durch?«
Katey bereitete sich im Geiste darauf vor, die Frau festzuhalten, damit sie nicht floh. Als die Schottin sagte: »Keine schlechte Idee, dann wäre ich wenigstens vor Geordie in Sicherheit«, traute Katey ihren Ohren nicht. Eigentlich hatte sie angenommen, Geordie Cameron wäre derjenige, der nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte, weil er diese Frau geheiratet hatte; jetzt aber kam sie zu der Überzeugung, dass es bei ihr noch um einiges schlimmer war.
»Kommen Sie«, fuhr die Schottin fort und packte Katey am Arm, »machen wir uns auf die Suche nach dem Wachtmeister. Ich möchte, dass Sie ihm sagen, was ich getan habe. Wenn ich allein bei ihm aufkreuze, wird er mir womöglich nicht glauben.«
Als Katey den Jungen, den sie losgeschickt hatte, am Ende des Marktplatzes entdeckte, wo er mit einem Hund spielte, war sie froh um die Wendung, die sich gerade ergeben hatte. Hätte sie dem Jungen eine Münze in die Hand gedrückt, wäre er womöglich ihrer Bitte nachgekommen, statt sie zu ignorieren.
Wie dem auch sei, sie traute der Schottin keinen Zoll über den Weg. Nahm sie wirklich eine karge Gefängniszelle in Kauf, um den Fängen ihres Mannes zu entkommen? Es schien fast so. Die Tatsache jedoch, dass die Schottin darauf bestand, dass sie mitkam, hätte sie eigentlich stutzig machen sollen.
Kapitel 14
Katey saß mit angezogenen Beinen auf der Pritsche, stützte das Kinn auf die Knie und zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Im Geiste sah sie dabei zu, wie Boyd Anderson zum Schafott geführt wurde. Die Hände hatte man ihm nicht verbunden, aber er hatte einen Knebel im Mund. Zwar wurde er gefragt, ob er der Welt noch etwas sagen wollte, aber der Knebel hinderte ihn daran zu antworten. Streng genommen hätte er sich den Knebel selbst herausnehmen können … Es half nichts, sie musste ihm auch die Hände fesseln lassen. Sie wollte auf keinen Fall hören, was er zu sagen hatte.
Sie zögerte den Moment, in dem sich die Falltür unter ihm öffnen sollte, noch ein wenig hinaus und weidete sich an der Vorstellung, dass er gleich nicht mehr sein würde. Es wurmte
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