Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
Cousin Geordie Cameron neidet mir seit Langem meinen Reichtum.«
»Also stimmt es, dass Ihr Gemahl Ihren Cousin verdroschen hat?«
»Lassen Sie sich davon nicht überraschen. Es war nämlich nicht das erste Mal. Vor meiner Vermählung mit Tony hat Geordie mehrere Versuche gestartet, mich zu entführen. Er wollte mich dazu zwingen, ihn zu heiraten, um an das Vermögen zu gelangen, das mein Großvater mir hinterlassen hat. Ihm war jedes Mittel recht, an das Geld zu kommen, müssen Sie wissen. Als Tony sich der Sache annahm, wähnten wir uns in Sicherheit vor ihm. Ich bin noch heute davon überzeugt, dass Geordies Reue aufrichtiger Natur war. Mein Mann gibt ihm die Schuld an dem neuerlichen Vorfall, aber ich glaube meinem Cousin. Erst heute Morgen erhielt ich ein Entschuldigungsschreiben von ihm, in dem er uns versichert, dass seine Ehefrau uns nicht mehr behelligen werde, was wir bereits wussten. Caldersons Gesandter hat uns nach seiner Befragung nämlich erklärt, dass Maisie Cameron und ihre Mitstreiter bereits verhaftet wären.«
Katey erkannte, dass die Malorys nicht den blassesten Schimmer hatten, dass man sie der Beihilfe an der Entführung bezichtigt und verhaftet hatte. Sie wollte gerade ansetzen, um Roslynn aufzuklären, als sie sich im letzten Moment doch noch auf die Zunge biss. Judith war wieder bei ihrer Familie, worüber die Malorys mehr als erleichtert waren. Sie ahnten nicht, wie sehr Katey unter den Irrungen und Wirrungen hatte leiden müssen.
Ein Freudenschrei riss Katey aus den Gedanken. Sie sah, wie Roslynn mit den Augen rollte und sich dann zu ihrer Tochter umdrehte, die die Treppe herunterhüpfte. Unten angekommen, raste sie auf Katey zu und schloss sie so fest es ging in die Arme.
»Wie schön, dass Sie gekommen sind! Ich freue mich riesig. Vater hat mich damit aufgezogen, dass Sie es sich anders überlegen könnten. Wie hübsch Sie in Ihrem Kleid aussehen.«
Katey lächelte. Hatte es sich im Hause der Malorys herumgesprochen, dass sie nichts Passendes anzuziehen hatte? »Aber noch lange nicht so hübsch wie du. Du hast mir ja gar nicht gesagt, dass du das hübscheste Mädchen Englands bist!«
Judith strahlte bis über beide Wangen, so sehr freute sie sich über das Kompliment, das Katey auch so gemeint hatte. Das Mädchen hatte das kupfergoldene Haar ihrer Mutter und die leuchtend blauen Augen ihres Vaters – eine Kombination, die äußerst apart wirkte. Irgendwie wurde Katey das Gefühl nicht los, dass die Kleine, die jetzt schon wie ein Engel strahlte, allzu bestrickend sein könnte, wenn sie erwachsen war.
»Haben Sie die anderen bereits kennengelernt?«, wollte Judith wissen. Ehe Katey jedoch antworten konnte, fügte sie hinzu: »Kommen Sie, ich übernehme das.«
Von da an klebte Judith förmlich an Katey. Sie war die geborene Gastgeberin und stellte Katey jeden einzelnen der Anwesenden vor.
Den Anfang machten Judiths Oheim Edward und ihre Tante Charlotte, die ebenfalls in London lebten. Dann kamen ihr Cousin Jeremy und seine frischgebackene Gemahlin – die einst als Diebin ihre Brötchen verdient hatte, wie Judith ihr zuraunte, die unlängst von ihrer Hochzeitsreise zurückgekehrt waren.
Als Katey dem jungen attraktiven Mann vorgestellt wurde, der sich seinerzeit Judith geschnappt hatte und mit ihr verschwunden war, versteifte sie sich ein wenig. Im Nachhinein betrachtet, wäre es besser gewesen, wenn er noch ein wenig länger geblieben wäre. Dann wäre ihr nämlich die Erfahrung erspart geblieben, in einer Gefängniszelle zu sitzen. Wäre sie aus forscherem Holz geschnitzt, hätte sie womöglich eine schnippische Bemerkung fallen lassen, doch sie biss sich auf die Zunge. Er konnte ja nichts dafür, dass Boyd Anderson ein Sturkopf war, der die Wahrheit selbst dann nicht erkannte, wenn sie ihn wie ein wildes Tier anfiel.
»Ich bin untröstlich, dass wir uns an jenem verhängnisvollen Tag nicht offiziell begegnet sind«, entschuldigte sich Jeremy, während er ihre Hand schüttelte. »Aber ich bin überzeugt davon, dass Boyd Ihnen erklärt hat, warum es von größter Wichtigkeit war, dass ich Judith umgehend nach London zu ihrer Familie bringe.«
»Oh, das hat er«, antwortete Katey und klopfte sich mental auf die Schulter, weil es ihr gelungen war, den Sarkasmus aus ihrer Stimme fernzuhalten.
Eigentlich hatte sie damit gerechnet, am heutigen Abend Boyd zu begegnen. Tief in ihrem Innern war sie enttäuscht, dass er nicht mit eingeladen war. Nur zu gern hätte sie ihn
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