Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
sie von seiner Anwesenheit erfuhr. Als er wenig später umgezogen war, eilte er mit feuchtem Haar und durchnässten Stiefeln nach unten.
Da er lediglich eine Handvoll Kleider zum Wechseln in eine Reisetasche geworfen hatte, ehe er mit wehenden Rockschößen die Stadt verlassen hatte, hatte er keinen Gehrock zum Wechseln und begab sich, nur mit einem langärmeligen weißen Hemd und schwarzen Beinkleidern bekleidet, ins Erdgeschoss; er wusste, dass er nicht standesgemäß angezogen war, doch es war ihm einerlei. Nichts und niemand konnte ihn heute davon abhalten, Katey Tyler entgegenzutreten und reinen Tisch zu machen.
Im Speisezimmer angekommen, blieb er vorsichtshalber im Türrahmen stehen, auch wenn die Familie sich bereits erhob, um ihn willkommen zu heißen. Da, Katey war in der Tat unter ihnen. Dieses Mal würde er dafür sorgen, dass sie ihm nicht entkam. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, leuchtete ihr ein, warum er die Tür blockierte. Als sie sich damit abgefunden hatte, wandte sie sich wieder dem köstlich duftenden Rinderbraten zu.
Boyd wertete es als Erfolg, dass sie keinerlei Anstalten machte, die Flucht anzutreten. Doch so richtig erleichtert war er deshalb noch lange nicht. Wie gern hätte er sie mit derselben Missachtung gestraft, die sie an den Tag legte, wenn es um ihn ging. Doch das war ihm nicht vergönnt. Ständig musste er zu ihr hinübersehen.
Die Frau seiner intimsten Träume trug eine weiße, bis zum Hals geknöpfte Bluse mit einem überaus raffinierten Spitzenkragen, die ihren ausladenden Busen besonders gut zur Geltung brachte. Ihre prallen Brüste füllten jedes Kleidungsstück gut aus, das ein wenig zu eng saß.
Nimm sofort deine Augen von ihrem göttlichen Vorbau'., schalt er sich selbst und betrachtete ihr Haar, das sie wie immer zum Zopf geflochten hatte, auch wenn sie ihn ausnahmsweise mal nicht unter den Gürtel verbannt hatte. Nein, heute hing er ihr in legerer Manier über die Schulter und ergoss sich in ihren Schoß. Welch ein bezaubernder Kontrast zwischen dem dicken rabenschwarzen Zopf und der weißen Bluse. Ganz zu schweigen von ihren geröteten Wangen …
Erst jetzt merkte er, dass ihr Gesicht in Flammen stand. Wusste sie, dass er sie anstierte? Es war wie verhext, aber immer, wenn sie in seiner Nähe war, konnte er sie einfach nicht aus den Augen lassen. Selbst dann nicht, wenn er sich wie jetzt vornahm, ihr nicht noch mehr Schande zu bereiten, und er wusste, dass er besser daran täte, die Familie seiner Schwester endlich zu begrüßen. Wenn es nach ihm ginge, hätte er bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag im Türrahmen von Haverston gestanden, um seine Angebetete zu bewundern.
Aber das ging nicht, und das wusste er spätestens, als der dritte Marquis of Haverston, der am Kopf der langen Speisetafel saß, ihn bat, Platz zu nehmen, während er einem Diener ein Handzeichen gab, ein weiteres Gedeck zu holen. Die Zeiten, in denen die Malorys auf der einen und die Andersons auf der anderen Seite einer Tafel saßen, waren glücklicherweise lange passe.
Es war eine überschaubare Tischgesellschaft. Außer Judith und ihrer Mutter, die Katey, aus welchen Gründen auch immer, mit nach Haverston genommen hatte, waren noch Jason und seine Haushälterin Molly anwesend, die am Kopf der Tafel saßen. Genau genommen war Molly Jasons Gemahlin und Derek Malorys Mutter, auch wenn niemand außer der Familie, wie Boyd vermutete, etwas davon ahnte. Auch wenn es nichts zur Sache tat, fragte Boyd sich, mit welchen Worten der Marquis Molly Katey wohl vorgestellt haben mochte.
Boyds Hauptaugenmerk würde heute darauf liegen, Katey so lange festzuhalten, bis sie sich seine Entschuldigung angehört hatte.
Mit ebendieser Absicht wählte er den Platz direkt gegenüber von ihr, der zudem den Vorteil hatte, verhältnismäßig nahe an der Tür zu liegen, sodass er zur Stelle war für den Fall, dass sie die Flucht antrat.
Just als jemand eine Bemerkung über den Regen machte, war in der Ferne das tiefe Grollen eines Donners zu vernehmen. Alle bis auf Boyd, der nur für den Anblick von Katey lebte und alles um sich herum vergessen hatte, hörten den Lärm. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass sie endlich den Blick hob. Doch den Gefallen tat sie ihm nicht. Für sie schien er Luft zu sein.
Eigentlich ist alles, wie es sein sollte, versuchte er sich einzureden. Immerhin war sie verheiratet. Da verbot ihr die Etikette, ledigen Männern zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Katey nahm es damit
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