Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
dass Sie mehr Interesse an mir haben, als es sich schickt. Sie erwähnte etwas von fleischlichen Gelüsten. Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre mir vielleicht nie aufgegangen, was Ihre ständigen Blicke …«
»Schon verstanden.«
Das Stöhnen, das daraufhin von seinen Lippen perlte, klang, als litte er Höllenqualen, und erinnerte Katey wieder an die Zeit auf seinem Schiff. Daran, wie ihr Herz einen Satz gemacht hatte, als ihr klar geworden war, dass er ein Auge auf sie geworfen hatte. Wie stolz war sie gewesen, dass es endlich einen attraktiven Mann gab, der sich zu ihr hingezogen fühlte. Und dann hatte er binnen weniger Stunden alles zunichte gemacht. Wenn das kein Grund zum Weinen war.
»Warum erschießen Sie mich nicht einfach, damit die Sache ein für alle Mal beendet ist?«, fuhr er fort.
»Ich ziehe den Strick vor.«
Die Bemerkung war ihr so herausgerutscht. Wenn sie mit Grace gesprochen hätte, hätte sie vermutlich gelacht, weil die Sache mit dem Schafott sich mittlerweile zu einem Witz zwischen ihnen beiden entwickelt hatte. In Boyds Gegenwart war das Ganze bitterer Ernst.
»Verstehe«, sagte er. »Weniger Blut. Frauen würden nie …«
»Wagen Sie es ja nicht, sich über mich lustig zu machen!« Mit wutverzerrtem Gesicht sprang Katey auf. »Ich weiß sowieso nicht, warum ich meine Zeit mit Ihnen verschwende. Ihr Verhalten mir gegenüber war vollkommen indiskutabel. Ich habe versucht, Ihnen klarzumachen, dass Sie einem Irrtum aufsitzen, aber Sie haben entschieden, mir keinen Glauben zu schenken. Mehr gibt es zu diesem Thema nicht zu sagen.«
»Damit haben Sie nicht einmal an der Oberfläche der Wahrheit gekratzt!«, protestierte er. »Bitte setzen Sie sich wieder.«
»Kommt gar nicht infrage. Falls es Ihnen entgangen sein sollte, spielt es keine Rolle mehr, was Sie sagen. Wieso ersparen Sie uns beiden nicht einfach diese Unterhaltung und lassen die Sache auf sich beruhen?«
»Weil es mir ein inneres Bedürfnis ist, Ihnen alles zu erklären.«
Katey stöhnte auf. Fing er jetzt schon wieder mit seinen amourösen Gefühlen für sie an? Ehe sie wusste, was sie tat, setzte sie sich wieder, weil ihre butterweichen Knie es verlangten.
»Dachte ich mir doch, dass Sie es verstehen würden«, fuhr er fort. »Ihr Geständnis, gar nicht verheiratet zu sein, hat mich vollkommen überwältigt. Nicht, dass mich dieser Umstand nicht erfreut, aber ich war mir sicher, dass eine verheiratete Frau verstehen würde, wie es ist, jemanden so sehr zu begehren, dass es einem die Sinne vernebelt, was wiederum leicht zu Fehlentscheidungen führen kann.«
»Sind Sie jetzt fertig? Sie bleiben also dabei, dass meine Nähe Sie so sehr verwirrt, dass Sie keinen klaren Gedanken fassen können? Dass Sie mir deshalb nicht geglaubt haben. Aber halt, es kommt noch besser. Da Sie Ihre fleischlichen Gelüste nicht unter Kontrolle hatten, hatten Sie sich es sich in den Kopf gesetzt, mich den weiten Weg nach London zu verschleppen und dort den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen. Wissen Sie eigentlich, dass ich Ihretwegen meinen Kutscher verloren habe und dass meine Magd noch immer ein wenig eingeschnappt ist? Das Schlimmste ist jedoch, dass …«
Boyd zuckte zusammen und fiel ihr ins Wort: »Falls es Sie beruhigt, ich hatte kaum das Zimmer im Gasthof verlassen, da bin ich zur Einsicht gekommen und habe mich gescholten, wie ich nur annehmen konnte, dass Sie dazu imstande wären, ein Kind zu verschleppen.«
»Und warum? Weil ich in der Tat zu so etwas niemals fähig wäre! Aber das hilft mir jetzt auch nicht mehr, Boyd Anderson. Was nützen Einsichten, wenn sie zu spät kommen?«
»Was kann ich dafür, wenn meine Instinkte ein wenig durcheinandergeraten waren? Schon vergessen, dass mein allererster Gedanke, als ich Sie mit Judith im Zimmer sah, war, mit Ihnen zu flüchten ? Haben Sie etwa gedacht, ich mache Witze? Mein erster Impuls war, Sie vor dem Gefängnis zu bewahren, Sie, wenn nötig, außerhalb des Landes zu schaffen.«
Bei näherer Betrachtung wäre das gar keine schlechte Idee gewesen, was sie aber natürlich für sich behielt. Stattdessen fragte sie: »Warum haben Sie das nicht getan?«
Mit nervöser Hand fuhr Boyd sich durch das klamme Haar, ehe er sagte: »Weil ich ein ehrlicher Mensch bin und von dem Verbrechen entsetzt war. Ich habe hautnah miterlebt, was Judiths Eltern durchgemacht haben. Ich bin mir sicher, dass das auch an Ihnen nicht spurlos vorbeigegangen wäre. Ich hatte Angst, dass es vertane Mühe wäre, wenn ich
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