Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
und ich hatte ein wenig Angst, diese Reise könnte ähnlich verlaufen.«
»Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man glaubt, sie sei nicht mehr zu haben, oder ob man es tatsächlich weiß. Ich bin überzeugt davon, dass ihr Widerruf echt war.«
»Kann es sein, dass du dir nur wünschst, es wäre wahr?«, meinte Tyrus voller Skepsis.
Er wusste, dass sie einen Plan verfolgte, das konnte er fühlen. Ob das klug von ihr war? Setzte sie ihre Ansicht auf subtile oder eher nicht so subtile Weise durch? Oder dachte sie womöglich, sie könnte ihn hinters Licht führen nach dem leidenschaftlichen Kuss, den sie geteilt hatten?
Wie erquickend es gewesen war, endlich von ihr kosten zu dürfen, sie zu berühren, sie in den Armen zu halten. Sein Verlangen wäre um ein Haar mit ihm durchgegangen, aber es war ihm gelungen, es unter Kontrolle zu halten, damit er sie nicht ängstigte. Er war sich bis heute nicht im Klaren darüber, wie ihm dieses Kunststück gelungen war, so vehement, wie er sie begehrte.
Ihre Bemerkung im Anschluss an den Kuss – dass sie verheiratet sei –, hatte ihn schockiert. Es war wie eine kalte Dusche gewesen. Er hatte nicht mehr gewusst, was er glauben sollte und den Rest des Tages grübelnd in seiner Kajüte verbracht. Am nächsten Morgen war sie schließlich an ihn herangetreten.
»Ich muss Ihnen etwas beichten«, hatte sie gesagt, den Blick auf ihre Füße statt auf sein Gesicht gerichtet. »Ich habe gelogen.«
Er hatte sich große Mühe gegeben, sie nicht anzufahren. »Vergesslich? Sie haben doch erst gestern eine Beichte abgelegt.«
Noch immer weigerte sie sich, ihn anzusehen. »Das ist doch die Lüge, von der ich eben sprach. Ich war noch nie in meinem Leben verheiratet, ehrlich.«
»Und warum haben Sie dann …?«
»Sie hätten mich eben nicht küssen dürfen«, hatte sie mit scharfer Stimme erwidert. »Das ist nicht Teil unserer geschäftlichen Beziehung.«
Jetzt hatte er eine dunkle Ahnung, was sie zu der Lüge bewogen haben mochte. Aber wieder einmal war er zu erfreut, um ihr böse zu sein. Das heißt, ein winziges bisschen grollte er ihr doch. Es ging nicht an, dass sie ständig mit ihm spielte. Sehr zu seinem Leidwesen war sie jedoch nicht lange genug geblieben, als dass sie die Sache hätten ausdiskutieren können. Mit schamgeröteten Wangen war sie davongehastet.
An seinen Freund gewandt, sagte er: »Dass sie jetzt schon drei Fassungen von dieser Geschichte zum Besten gegeben hat, zeigt mir, dass meine Hoffnung begründet ist.«
»Drei?«, keuchte Tyrus.
»Und dabei habe ich die ersten beiden Male vor dieser Reise noch nicht mitgezählt. Wenn ich sie in der angemessenen Stimmung erwische und sie mal gerade keinen Gemahl hat, werde ich zu dir kommen, damit du uns trauen kannst, und wehe du stellst alberne Fragen. Tu es einfach.«
»Was meinst du mit angemessen ? «, fragte Tyrus argwöhnisch. »Nur damit du es direkt weißt, Bürschlein, ich traue niemandem, der nicht richtig gekleidet ist.«
Boyd schmunzelte. »Ich hatte auch nicht vor, sie direkt nach unserem ersten Stelldichein in meiner Koje zu dir zu schleifen.«
»Was meintest du denn dann damit?«
Boyd schwieg einen Augenblick, um Tyrus zu erklären, woran er den richtigen Moment erkannte. In Cartagena hatte ihm das keine Schwierigkeiten bereitet.
Sie hatten zwei Tage in der alten Hafenstadt verbracht, in der es viel zu entdecken gab. Boyd hatte Katey angeboten, sie und ihre Magd bei der Besichtigung der Überreste der römischen Anlagen zu begleiten, darunter des Amphitheaters, wo einst Gladiatoren kämpften und starben. Viel war von den altertümlichen Ruinen nicht mehr zu sehen, weil an ihre Stelle neue Gebäude getreten waren, aber es reichte aus, um Katey einen groben Eindruck zu vermitteln, wie es früher gewesen sein konnte. Cartagena war im Laufe der Jahrhunderte durch viele Hände gegangen, die alle ihren Stempel hinterlassen hatten. Katey war von den vielen verschiedenen Impressionen derartig verzückt gewesen, dass sie Boyd wie einen engen Freund statt wie ihren Erzfeind behandelt hatte.
Es war eine wunderbare Möglichkeit gewesen, in den Genuss ihrer Nähe zu kommen. Doch immer, wenn er ihr zu nahe kam, errötete sie. Und wenn sie errötete, wusste er, dass sie jeden Augenblick die Karte mit dem fiktiven Ehemann spielen konnte. Genau das hatte sie getan, kurz bevor sie Cartagena verlassen hatten.
Zu Tyrus sagte er: »Wie du weißt, hält sie an ihrem Plan fest, die gesamte Welt zu umsegeln, und genau
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