Malory 09 - Der geheimnisvolle Verführer
bot. Stück für Stück kam Boyd ihr näher. Vor lauter Vorfreude breitete sich ein kribbelndes Gefühl in ihrem Magen aus. Es fehlte nicht mehr viel, bis sein Mund den ihren berührte …
Das Kreischen eines Vogels erschreckte sie. Als Boyd an ihr vorbeiblickte, verdrehte sie den Kopf, um in dieselbe Richtung zu sehen. Ihr Blick fiel zwar nicht auf einen Vogel, aber die üppige Vegetation am Rande des unberührten Strandes mit den hohen Pinien, zwischen denen Palmen verschiedener Größen und hier und da blühende Büsche wuchsen, raubte ihr den Atem.
Es grenzte schon an Ironie, dass sie ihrem Traum ein wenig tropische Atmosphäre verlieh. Es war erst wenige Tage her, da hatte Boyd sie gefragt, wie viel sie über den Mittelmeerraum wisse. Ihr war nichts anderes übrig geblieben, als zuzugeben, dass ihr Wissen gleich null war.
»Mein Hauslehrer war brillant, hatte aber nur einen beschränkten Fundus an Lehrmaterialien«, hatte sie ihm erklärt. »Er war lediglich im Besitz einer alten, nicht mehr gültigen Weltkarte. Auch ohne Bilder ist es ihm gelungen, mein Interesse für die Welt zu wecken. Das ist auch der Grund, warum ich mich zu dieser Reise entschieden habe, um mir selbst endlich ein Bild von all den Regionen zu machen, über die er referiert hat.«
Erst am Vortag hatte Boyd vorgeschlagen, dass sie sich einen Tag frei nähmen und sich an einen der Strände der Inseln in der Gegend legten. Nur sie beide. Er hatte es vollkommen harmlos angepriesen. Es wäre bestimmt schön. Er hatte ihr ans Herz gelegt, es sich durch den Kopf gehen zu lassen, hatte nicht gewollt, dass sie ihm sofort eine Antwort gab. Da es jedoch nichts nachzudenken gab, hatte sie ihm postwendend eine Abfuhr erteilt. Nun war es nicht so, dass sie kein Vertrauen in seine Leidenschaft hatte, nein. Sie traute ihrer eigenen nicht mehr ganz über den Weg. Aber das hatte sie ihm natürlich nicht gesagt!
Es verging keine Stunde, in der dieser Mann ihr nicht im Kopf herumschwirrte. Ihr war mittlerweile klar geworden, wie sehr sie ihn begehrte. Aber da gab es noch die Zweifel, dass er die Reise abbrechen würde, wenn sie nachgäbe. Und Lust als Basis für eine Ehe kam für sie nicht infrage. Sie stufte es als nette Begleiterscheinung ein, aber in erster Linie musste Liebe im Spiel sein.
Doch die tropische Atmosphäre von Cartagena, das sie unlängst besichtigt hatten, in Verbindung mit seinem Vorschlag, einen Ausflug zu einem Strand zu machen, waren noch so frisch in ihrem Gedächtnis, dass es sie eigentlich nicht überraschte, von alledem zu träumen.
Sie sah wieder zu Boyd. Dieses Mal lächelte er freundlich und vertraut zur ihr herab, so als teilten sie etwas. Sie vermisste die Sinnlichkeit, die dem Moment innegewohnt hatte, als er sie hatte küssen wollen. Statt eines Knisterns lag Entspannung in der Luft, was an und für sich auch schön, aber längst nicht so erregend war. Und weil er nicht so intensiv war, nahm sie dieses Mal mehr von der unmittelbaren Umgebung wahr. Zum Beispiel das Knacken eines Feuers, der Geruch nach Fisch …
Wie ungehobelt, so etwas in einen Traum einzubauen! Moment mal, seit wann konnte sie in Träumen riechen?
Katey erhob sich so schnell, dass sie ins Taumeln geriet und vor lauter Schreck einen Satz nach hinten machte, während sie panisch um sich blickte. Sie war barfuß, ihre Zehen versanken im warmen Sand. Sie trug ihr Nachthemd, das wirklich nass war. Ihr Haar war offen und ebenfalls nass, so als wäre sie an Land geschwommen. Sie befand sich an einem einsamen Strand. Nirgends war ein ankerndes Schiff zu sehen, selbst am Horizont nicht. Nichts außer blaues Wasser, soweit das Auge reichte.
Und neben ihr unter einer Palme lag Boyd. Außer seinen Beinkleidern trug er nur noch ein langärmeliges weißes Hemd, das er bis zum Bauch aufgeknöpft hatte. Er lag, auf den Ellbogen aufgestützt, auf der Seite und beobachtete sie mit sorgenvoller Miene. In unmittelbarer Nähe brannte ein Lagerfeuer, über dem ein aufgespießter Fisch röstete. An und für sich ein friedlicher, idyllischer Ort. Nichtsdestotrotz wurde sie von einer Furcht ergriffen, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Beim Allmächtigen, ist Ihr Schiff gesunken?«, keuchte sie. »Hat außer uns noch jemand überlebt? Grace? O nein, nein …«
Er sprang auf und packte sie bei den Schultern. »Katey, aufhören. Mit dem Schiff ist alles in Ordnung. Allen geht es gut!«
Sie starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, würde ihm gern glauben,
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