Malory
Unsinn«, schnaubte er wütend. »Ich hatte einfach Lust, diesen Mann zu schlagen. Seit wir an Land sind, habe ich Lust, irgendwen zu schlagen. So geht’s mir immer, wenn ich weiß, daß ich mich in Gegenwart meines Schwagers zusammenreißen muß.«
Amy lachte. »Onkel James würde das sicher gern hören.
Aber du hast diesen Kerl geschlagen, weil er seine Arme um mich geschlungen hat.«
Er spielte den Gleichgültigen. »Tu doch, was du willst.«
»Das werde ich auch, Warren. Darauf kannst du dich verlassen. Doch nun zu meiner Unschuld und deiner Behauptung, sie würde der Vergangenheit angehören«, fuhr sie mit verführerischer Stimme fort. »Ich nehme an, du weißt, wie du herausfinden kannst, ob ich sie noch habe.«
Ob es nun wegen der glutvollen Art war, wie sie diese Worte ausgesprochen hatte, oder wegen der gewagten Bedeutung, die sich dahinter verbarg – Amy bekam, was sie schon fast nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Seine Hände gruben sich in ihr Haar, und sie mußte seinen Kuß annehmen, ob sie es wollte oder nicht. Aber sie wollte es, o ja! Daran konnte er nach ihrer heftigen und leidenschaftlichen Erwiderung nicht zweifeln.
Ihre Arme umschlangen ihn, wie um ihn festzuhalten, während sich ihre Zungen mit der rasenden Verzweiflung, die aus gestohlenen Augenblicken erwächst, ihrem wilden Spiel hin-gaben. Es war ein Strom von Hitze und Lust, von Frustration und Unerfahrenheit, vereint im süßen Verlangen der Leidenschaft.
Zeit und Ort hatten keine Bedeutung mehr in diesem erotischen Sturm, doch es war ein launischer Sturm, so leicht beendet wie entfacht. Als seine Hände ihren Rücken hinabglitten, um sie noch fester an sich zu ziehen, genügte schon der Klang ihres lustvollen Stöhnens, um den Bann zu brechen.
Sie trennten sich auf der Stelle, blitzschnell, denn die Lust war noch zu groß, um einander so nah zu sein. Er kehrte ihr den Rücken zu, als könnte ihr bloßer Anblick das Feuer erneut entfachen. Sie stand da, die Hände zu Fäusten geballt, verzweifelt ihr Verlangen unterdrückend, nach mehr zu betteln.
Aber sie wußte, daß das nicht der rechte Augenblick war, ihn zu bedrängen. Er war ein launischer Mann in jeder seiner Lei-denschaften, und sie würde behutsam vorgehen müssen, um zu bekommen, was sie wollte. Und sie würde es bekommen. Dessen war sie sich jetzt fast sicher. Problematisch war nur, daß Geduld nicht eben zu ihren Tugenden zählte.
»Herr im Himmel, du würdest dich noch hier auf der Straße nehmen lassen, was?« fragte er, ohne sich umzudrehen.
Sie achtete nicht auf den Tonfall, der wenig schmeichelhaft war und antwortete ehrlich: »Anscheinend habe ich kein Schamgefühl, was dich betrifft.« Als sie merkte, wie er erstarrte, wechselte sie rasch zu einem hänselnden Tonfall über.
»Hast du jetzt vielleicht deine Meinung geändert und nimmst mich mit in dein Hotel?«
»Nein!«
Seine heftige Antwort ließ sie leicht zusammenzucken. »In ein anderes Hotel?«
»Amy!«
»Das war doch nur ein Scherz. Wirklich, Warren, wir müssen etwas gegen dein düsteres Wesen unternehmen.«
Er fuhr herum und sagte steif: »Zum Teufel mit meinem Wesen. Was schlimm ist, das ist dein besitzergreifendes Gehabe. Außerdem ist meine ›Behauptung‹, wie du es nennst, hin-länglich bewiesen. Du kannst nicht so schamlos und gleichzeitig Jungfrau sein.«
»Warum nicht? Ich bin jung, ich bin gesund, und ich bin nicht aus Holz. Es ist nicht meine Schuld, sondern deine, wenn ich dich am liebsten auffressen würde.«
»Noch ein provozierendes Wort und ...«
»Ja, ja, du legst mich übers Knie. Wenn du nicht aufpaßt, Warren, gebe ich dich am Ende doch auf.«
Kapitel 14
Amy wußte selbst nicht recht, warum sie es getan hatte. Vielleicht, weil Warren London nicht gut kannte und sie sich mög-licherweise verirrt hätten. Vielleicht auch, weil er mit jedem Schritt zorniger wurde, da keine Kutsche auftauchte, die ihn von seiner Last befreit hätte. Und wenn er so wütend war, wür-de sie in dieser Nacht, das stand fest, nichts bei ihm erreichen.
Deshalb gestand sie schließlich, daß die Kutsche, mit der sie hergekommen war, wohl immer noch in der Nähe des Hell and Hound wartete.
Natürlich nahm er diese Neuigkeit nicht eben gelassen auf.
Er geriet, gelinde gesagt, außer sich, beschuldigte sie der Lüge und Hinterlist. Sie leugnete es nicht, da es doch, teilweise wenigstens, stimmte. Aber er ließ ihr keine Gelegenheit, sich zu rechtfertigen, sondern schimpfte auf dem Rückweg ohne
Weitere Kostenlose Bücher