Malory
letzte Bemerkung mit einem ver-
ächtlichen Grunzen. Er trat auch nicht weiter in die Kabine, um die Reisschale auf der Holzkiste, die Warren als Tisch diente, abzustellen, sondern setzte sie einfach neben der Tür ab und wollte schon gehen.
Warren gab noch nicht auf. »Frag um Erlaubnis, wenn du willst. Ich bin sicher, dein Herr wird hocherfreut sein, wenn er erfährt, daß ich jeden Tag eins über den Schädel kriege. Vielleicht möchte er sogar zuschauen.«
Diese Möglichkeit machte Taishi hellhörig. »Lord Yatsen amüsieren – feine Sache.«
Warren würde es natürlich vorziehen, wenn der verdammte Kerl nicht zuschaute, aber er mußte es nehmen, wie es kam.
»Schlaf drüber und laß mich morgen früh wissen, wozu du dich entschlossen hast. Auf jeden Fall wurde mit deinem Herrn vereinbart, daß ich nicht auf der ganzen Fahrt eingesperrt bleibe. Erinnere ihn daran. Ich stehe für jede Arbeit zur Verfügung, falls ...«
Er wurde von einem heftigen Klopfen gegen die Kabinenwand unterbrochen. »Wer ist da drin?« hörte er Amy wütend rufen. »Wenn Sie es sind, Taishi, dann kommen Sie sofort her, oder ich brenne das verdammte Schiff nieder.«
Beide starrten eine Weile auf die Wand bevor Taishi ängstlich flüsterte: »Sie das wirklich tun?«
»Natürlich nicht«, meinte Warren spöttisch, doch er sprach sehr viel leiser als vorher. »Aber sie macht einen Höllenlärm.
Hast du schon einmal nachgesehen, was sie will?«
»Befehl ist, nicht besuchen, nur Essen bringen. Aber Taishi wissen, was Lady wollen. Morgen Zeit genug, wieder Schüssel auf Kopf kriegen.«
Warren kam Taishi bedrohlich nahe. »Du hast ihr doch hoffentlich nicht weh getan, um deinen Kopf zu retten?«
Diesmal wich Taishi einen Schritt zurück. »Ich deine Lady nicht verletzen. Vielleicht kleine Schramme, hier.« Er deutete auf seinen Hintern. »Aber Lady nicht klagen. Klagen über andere Sachen, aber nicht über das.«
Warren erkannte seinen Fehler zu spät, versuchte aber dennoch, ihn zu korrigieren. »Sie ist nicht meine Lady.«
»Wenn du so sagen, Captain.«
»Reize mich nicht«, fuhr Warren ihn an. »Sie ist es wirklich nicht. Und sag ihr um Gottes willen nicht, daß meine Kabine gleich neben der ihren liegt. Sie macht mich sonst verrückt mit ihrem ständigen Geplapper. Wenn sie es erfährt, ziehe ich dich dafür zur Verantwortung.«
Warren wußte nicht, ob er den Chinesen überzeugt hatte.
Auf jeden Fall schaute Taishi etwas verwirrt drein, als er die Tür hinter sich schloß und verriegelte. Warren war wütend auf sich selbst, weil ihm dieser Fehler unterlaufen war. Wie dumm von ihm! Das letzte, was er gebrauchen konnte, war, daß Zhang durch seinen Wächter erfuhr, wie sehr ihm Amys Wohlergehen am Herzen lag. Das durfte unter keinen Umständen geschehen.
Kapitel 32
Amy trat von der Wand zurück und streckte sich auf ihrer Pritsche aus. Ihr Ohr schmerzte vom Lauschen an der rauhen Holzwand, weit schlimmer aber war der Schmerz in ihrem Herzen. Warren wollte also nicht mit ihr sprechen. Eigentlich war das nichts Neues, und es hätte ihr nicht weh tun dürfen.
Aber es tat entsetzlich weh.
Am liebsten hätte sie geweint. Sie hatte von Anfang an gewußt, daß es schwer sein würde, Warren zu erobern, daß sie viel Bitterkeit und Mißtrauen würde besiegen müssen. Er war so festgefahren in seiner Art, die ihn für Frauen völlig unzu-gänglich machte. Er wollte nicht glücklich sein. Er suhlte sich in seinem Unglück. So vieles mußte noch bewältigt werden ...
Am nächsten Morgen kehrte Amys Zuversicht zurück, wenigstens was Warren betraf. Sie war noch immer felsenfest davon überzeugt, daß sie mit Warren schlafen mußte, daß eine Nacht mit ihm die Antwort, das Wunder war, das ihre Beziehung ändern oder, genauer gesagt, zum Leben erwecken würde.
Daß sie am Abend zuvor solche Zweifel gehabt hatte, war vor allem auf die mißliche Lage zurückzuführen, in der sie sich befand. Über eines war sie sich allerdings im klaren: daß Warren nicht hier wäre, wenn er die Wahl gehabt hätte. Sicher hatte Onkel James herausgefunden, was passiert war, und darauf bestanden, daß Warren sie rettete. Im Augenblick sah es noch nicht nach Rettung aus, doch sie war zuversichtlich, daß Warren wußte, was er tat.
Trotzdem hätten ein paar tröstende Worte nicht schaden können, im Gegenteil. Aber Warren weigerte sich weiter hartnäckig, überhaupt mit ihr zu sprechen. Dieses Mal hätte dieser verdammte Kerl doch seinen inneren Widerstand
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