Malory
gut gewesen, wenn der Mann meiner Tante, Elliott, ein bißchen mehr Charakter gehabt hätte.«
»Ein Schurke?«
»Nein, eher charakterschwach. Sie müssen wissen, daß er zwar aus einer guten Familie kommt, aber kein Vermögen besitzt. Selbst das Haus, in dem sie wohnten, hatte meiner Familie gehört. Meine Mutter hat nie verstanden, warum Elizabeth ihn heiratete, aber sie tat es eben, und ich möchte hinzufügen, daß sie in all den Jahren sehr glücklich mit ihm war – sie weiß auch gar nicht, was geschehen ist. Wir konnten es von ihr fernhalten.«
»Ist Ihr Onkel ebenfalls ein Spieler?«
»Das habe ich zunächst gedacht, als ich Elliott vor einer Flasche Schnaps sitzen sah. Er hatte wohl vor, Selbstmord zu begehen. Tatsächlich hat er immer für ihren Lebensunterhalt gearbeitet, wissen Sie, und er hatte jahrelang eine sehr gute Stelle. Aber dann verlor er sie.
Und das hat ihn so durcheinandergebracht, daß er seitdem nicht mehr in der Lage war, es in einer anderen Position lange auszuhalten. Wenn er ernsthaft versucht hätte, nach dem Mißerfolg weiterzumachen ... aber ich nehme an, er hat das Vertrauen in sich verloren.«
»Charakterschwach, wie Sie schon sagten«, schnaubte Reggie.
»Wahrscheinlich. Sie lebten jedoch weiter, als habe sich nichts geändert. Sie nahmen sogar meine Schwester und mich bei sich auf, obwohl sie es sich gar nicht leisten konnten. Die Schulden wuchsen. Es kam kein Geld herein, gespart hatten sie nichts, und sie konnten sich auch von niemandem etwas borgen. Diese Möglichkeiten hatten sie bereits ausgeschöpft. Schließlich kam es zu dem Punkt, an dem die Gläubiger in nur drei Tagen meiner Tante das Haus wegnehmen wollten, wenn Elliott nicht sofort seine Rechnungen bezahlte.«
Reggie seufzte. »Ich nehme an, Sie haben ihm den Selbstmord ausgeredet? Ich weiß nicht, ob ich das getan hätte.«
»Das hätte doch alles nur noch viel auswegloser gemacht — für meine Tante jedenfalls. Sie wußte nicht, wie schlimm es stand, und daß sie ihr Haus verlieren würde.
Wir wären alle auf der Straße gelandet, und hätten nirgendwo mehr hingehen können — und das in nur drei Tagen. Wenn Elliott nur schon früher etwas gesagt hätte, dann hätte ich mir einen reichen Ehemann suchen können. Aber drei Tage waren zu kurz.«
»Ja, dazu braucht man ein bißchen mehr Zeit«, stimmte Reggie zu. »Es sei denn, es hätte Ihnen schon jemand den Hof gemacht. Aber das war wahrscheinlich nicht der Fall?«
»Nein«, erwiderte Kelsey. »Ich war noch in Trauer und lebte jetzt außerdem in einer anderen Stadt, wo ich überhaupt noch keine heiratsfähigen Männer kennengelernt hatte. Außerdem bewegte sich Elliott kaum in den entsprechenden Adelskreisen. Er kannte auch keinen, der in Frage gekommen wäre. Es blieb auch nicht genug Zeit, eine Stelle für mich zu suchen, wenn überhaupt eine zu finden gewesen wäre, in der ich genug für uns alle verdient hätte. Und ich mußte an meine Schwester denken. Sie ist erst zwölf, und ich bin für sie verantwortlich.«
»Also hatten Sie die Idee, sich versteigern zu lassen?«
fragte Reggie.
Kelsey kicherte. »Ich? Ich wußte überhaupt nicht, daß es so etwas gibt.«
Reggie grinste. »Nun, ich glaube, das ginge mir genauso. Dann war es also der Vorschlag Ihres Onkels?«
Reggie schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Er war an dem Abend so betrunken, daß er unzusammenhängendes Zeug redete. Er erwähnte einen Freund, der in der gleichen Situation gewesen wäre, und dessen Tochter die Familie gerettet hatte, indem sie sich an einen alten Wüstling verkaufte, der viel Geld für Jung-frauen bezahlte. Dann erwähnte er, daß manche Männer für eine Mätresse bezahlen würden, wenn sie
›frisch‹ wäre, also noch nicht von ihren Freunden benutzt worden sei.«
»Ich kann es nicht glauben, daß er so etwas zu seiner unschuldigen Nichte gesagt hat«, warf Reggie entsetzt ein.
»Wenn er nüchtern gewesen wäre, hätte er das sicher nicht getan, aber er war nicht nüchtern. Und es war immerhin eine Lösung, während ich geglaubt hatte, es gäbe keine. Außerdem war ich über die ganze Angelegenheit so außer mir, daß ich wahrscheinlich nicht mehr viel klarer denken konnte als er. Jedenfalls fragte ich ihn, ob er jemanden in seiner Bekanntschaft hätte, der für eine Mätresse Geld bezahlen würde. Er kannte zwar niemanden, meinte aber, er wisse einen Ort, an dem ich reichen Lords vorgestellt werden könnte, die dann auf mich bieten würden.«
Reggie
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