Malory
überflie-gen, war jedoch davon so überrascht, daß er ihn aufmerksam von der ersten bis zur letzten Zeile las. Es wurde von einem Lonny Kilpatrick berichtet, der in einem übelbeleumdeten Haus, das er seit anderthalb Jahren betrieb, ermordet worden war. Die Adresse war angegeben und Einzelheiten über seinen Tod. Er war offenbar wiederholt in die Brust gestochen worden, und es mußte ziemlich viel Blut geflossen sein. Auf seinen Mörder gab es jedoch keinen Hinweis.
»Verdammt«, sagte Derek und lehnte sich zurück.
»Ich nehme an, das ist der Lonny, mit dem du zu tun hattest?« fragte Jason.
»In der Tat.«
»Interessant, obwohl ich bezweifle, daß es irgendeine Verbindung zwischen der Tat und der Versteigerung gibt. Das ganze Blut an der Leiche erinnert mich allerdings an das, was du über Ashford und seine Vorliebe für Blut gesagt hast.«
»Er ist ein jämmerlicher Feigling«, schnaubte Derek.
»Er hätte gar nicht den Mumm, einen Mann umzubringen.«
Jason zuckte die Schultern. »Nach dem, was du über ihn gesagt hast, und nach den Gerüchten, die ich über ihn gehört habe, ist der Mann nicht ganz richtig im Kopf. Und man kann nie sagen, wozu so jemand fähig ist. Aber ich glaube, du hast recht. Er scheint eher ein Feigling zu sein, der lieber Schwächere quält. Außerdem, aus welchem Grund sollte er diesen Lonny umbringen, wo es ihm doch offenbar mehr Freude macht, Frauen zu verletzen. Wahrscheinlich ist es nur ein zu-fälliges Zusammentreffen.«
Derek hätte ihm gerne zugestimmt, aber ein leiser Zweifel hatte sich bei ihm eingenistet. Er machte sich schon wieder Sorgen, und so ging er direkt von seinem Vater zurück zu James’ Haus, um seinen Onkel über die neueste Entwicklung zu unterrichten.
Leider hatte er ganz vergessen, seinen Vater nach der Mätresse zu fragen, mit der er die ganzen Jahre über zu-sammengelebt hatte. Und als er schließlich wieder zu Hause war, fand er eine Nachricht von Jason vor, der ihn daran erinnerte, daß er an Weihnachten auf Haverston erwartet würde. Sein Vater war schon auf dem Weg dorthin.
35
Trotz Dereks Versicherung, daß sie nichts mehr von Lord Ashford zu fürchten habe, da er nun überwacht würde, verließ Kelsey ihr Haus fast eine ganze Woche lang nicht mehr. Sie schickte ihren Lakaien zu der Schneiderin, um zwei Anproben abzusagen – glücklicherweise hatte sie gerade in dieser Woche einen Lakaien und auch die übrigen Dienstboten, die sie brauchte, eingestellt.
Sie konnte auch nicht zu dem hübschen kleinen Stoff-geschäft gehen, das sie entdeckt hatte. Dort hatte sie Stoff gekauft, um Derek ein paar Dinge zu Weihnachten zu nähen. Ein Halstuch mit Monogramm und Taschentücher, und ein paar Seidenhemden, von denen sie einige schon fertiggestellt hatte.
Ironischerweise hatte sie an dem Tag, an dem sie Lord Ashford begegnet war, nicht soviel Angst gehabt wie am Tag danach, nachdem sie den Abend mit Derek verbracht hatte. Sie hatte seine Angst gespürt, obwohl er nach seiner Warnung nicht mehr allzuviel darüber gesagt hatte.
Es hatte seine Vorteile, ans Haus gebunden zu sein.
Nachdem sie drei Tage lang gegrübelt hatte, war sie auch endlich in der Lage, einen Brief an ihre Tante Elizabeth abzuschicken. Darin erklärte sie ihr, daß ihre Freundin die Meinung eines weiteren Arztes eingeholt habe, die ihr etwas Hoffnung gebe, und daß sie nach London gezogen seien, um nahe bei dem neuen Arzt zu wohnen.
Es fiel ihr schwer, ihre Tante weiter anzulügen, und es war auch nicht einfach, einen Absender anzugeben, was Elizabeth natürlich erwarten würde. Schließlich setzte Kelsey ihre tatsächliche Adresse ein, da sie außer Dereks Adresse keine andere kannte, und seine zu benutzen kam nicht in Frage.
Sie hatte auch einen Brief an ihre Schwester beigelegt, voller Klatschgeschichten über ihre Heimatstadt, die natürlich alle erfunden waren. Nachdem sie die beiden Briefe fertiggeschrieben hatte, kam sie sich so verach-tenswert vor, daß sie Derek keine besonders gute Ge-sellschafterin war. Es fiel ihm auf, und er machte eine Bemerkung darüber, aber sie hatte ihn mit weiteren Lü-
gen beruhigt und behauptet, sie leide bloß unter dem Wetter. Am nächsten Tag schickte er ihr Unmengen von Blumen, und sie hätte am liebsten geweint.
Schließlich machte sie sich klar, daß es albern von ihr war, sich im Haus zu vergraben, zumal es ein herr-licher Wintertag war. Sie begab sich umgehend zur Schneiderin, um die letzten Anproben über sich ergehen zu lassen, was
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