Malory
recht schnell ging. Als sie das Hinterzimmer des Ladens verließ, zögerte sie nur kurz, aus Sorge, daß sie Lady Eden wieder über den Weg laufen könnte.
Das Geschäft war jedoch so früh am Morgen ganz leer, da die meisten Damen der Gesellschaft im Hinblick auf ihre
gesellschaftlichen
Verpflichtungen
in
der
Nacht
zuvor morgens erst spät aufstanden. Es gab jedoch eine Ausnahme.
Gerade als sie zur Tür wollte, ging sie auf, und Tante Elizabeth betrat den Laden. Kurz hinter ihr kam ihre Schwester Jean herein. Jean schrie vor Freude auf, als sie Kelsey sah, und stürzte in ihre Arme. Elizabeth war ebenso überrascht wie Kelsey, allerdings kaum so erschrocken.
»Was tust du in London?« fragten beide wie aus einem Mund.
»Habt ihr meinen Brief nicht bekommen?« entgegnete Kelsey.
»Nein . . das ... habe ... ich .. nicht.«
Die Pausen zwischen den einzelnen Wörtern ließen Elizabeths Antwort wie einen Vorwurf klingen, und es war auch einer, wie Kelsey an ihrem Gesichtsausdruck sah. Sie hätte eher schreiben sollen. Schließlich wußte sie ja, daß Tante Elizabeth auf einen Brief gewartet hatte. Aber es war so schwer, die eigene Familie anzulü-
gen, daß sie es so lange wie möglich hinausgezögert hatte. Und jetzt mußte sie wieder alles erklären.
»Ich habe dir geschrieben, Tante Elizabeth, um dir mitzuteilen, daß ich mit Anne nach London gefahren bin.
Sie hat hier einen neuen Arzt gefunden, der ihr Hoffnung gemacht hat, und deshalb wollte sie in seiner Nähe sein.«
»Das sind ja wunderbare Nachrichten!«
»O ja.«
»Heißt das, du kommst bald wieder nach Hause, Kelsey?« fragte Jean hoffnungsvoll.
»Nein, mein Schatz, Anne ist immer noch sehr krank«, erwiderte Kelsey und drückte Jean an sich.
»Deine Schwester wird hier gebraucht, Jean«, sagte Elizabeth.
»Ihre
Freundin
muß
aufgeheitert
werden,
und das kann Kelsey gut, so warmherzig, wie sie ist.«
»Was machst du denn hier in London, Tante?« fragte Kelsey.
Elizabeth schnaubte. »Unsere Schneiderin zu Hause ist weggezogen,
und
das
ohne
jede
Vorankündigung.
Kannst du dir das vorstellen? Ich möchte keinesfalls zu diesem französischen Flittchen gehen, die ihr immer Konkurrenz gemacht hat, und da Jean und ich ein paar neue Kleider für die Feiertage brauchen, habe ich beschlossen, daß wir sie genausogut von der besten Schneiderin nähen lassen könnten. Mrs. Westerbury ist mir von einigen Freundinnen sehr empfohlen worden.«
»ja, sie ist hervorragend«, stimmte Kelsey ihr zu. »Ich habe hier auch einige Kleider für mich bestellt, da ich nicht so viel mitgenommen hatte.«
»Nun, wenn du hier noch sehr viel länger gebraucht wirst, dann laß es mich doch bitte wissen, und ich schicke dir deine Garderobe. Du sollst ja schließlich nicht darauf verzichten. Aber du meine Güte – wo du jetzt in London wohnst, bist du dir überhaupt darüber im klaren, daß die Saison ihrem Höhepunkt zustrebt?
Ich habe zahlreiche Freunde hier, die entzückt wären, dich einzuführen. Und deine Freundin hat doch sicher nichts dagegen, dich ab und zu für ein paar Stunden zu entbehren, damit du selbst auch ein wenig Freude hast.«
Tante Elizabeth meinte es natürlich gut, aber Kelsey lag nichts mehr daran, an der Londoner Saison teilzunehmen, um einen Ehemann zu finden. Da sie das aber nicht erzählen konnte, sagte sie einfach: »Das muß noch ein bißchen warten, Tante Elizabeth. Ich würde mich scheußlich fühlen, wenn ich mich vergnüge, während Anne es nicht kann. Nein, das könnte ich nicht.«
Elizabeth seufzte. »Das habe ich mir gedacht. Du weißt aber doch, daß du genau im richtigen Alter zum Heiraten bist, oder? Und sobald du wieder nach Hause gekommen bist, werden wir auf jeden Fall eine richtige Saison für dich planen. Ich werde sofort damit anfangen,
die
entsprechenden
Arrangements
zu
treffen.
Schließlich schulde ich es meiner Schwester, daß du richtig in die Gesellschaft eingeführt wirst.«
Kelsey zuckte innerlich zusammen. Es war ein furchtbarer Gedanke, daß ihre Tante ihre Zeit damit ver-schwendete, Pläne für etwas zu machen, was nie zustande kommen würde. Aber ohne ihr die Wahrheit zu sagen, konnte sie nichts dagegen einwenden. Und was sollte sie ihr in sechs Monaten sagen? Und in einem Jahr? Im Laufe der Zeit würden ihre Entschuldigungen nicht mehr geglaubt werden.
Sie konnte sie nur warnen: »Mach jetzt besser noch keine Pläne, Tante. Ich kann wirklich nicht sagen, wie lange ich hier noch gebraucht
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