Malory
heimlich in unseren Gewässern versteckt? Noch dazu ein Piratenschiff? Da kann ich ja nur lachen. Wir sind absolut im Recht.«
»Ich auch.«
Dann ging alles blitzschnell. Jedermann im Raum stand wie unter Schock, besonders Warren, der plötzlich die starken Hände fühlte, die sich wie ein Schraubstock um seinen Hals schlössen. Er war nicht gerade schwächlich, doch aus dieser Umklammerung konnte er sich nicht befreien. Clinton und Drew, die beide gleichzeitig herbeisprangen und James bei seinen Armen packten, vermochten nicht einmal gemeinsam, ihn loszureißen. Und James' Finger drückten langsam und unnachgiebig immer fester zu.
Warrens Gesicht war schon hochrot angelaufen, bevor Thomas sich noch irgend etwas Schweres greifen konnte, um James bewußtlos zu schlagen. Doch dazu kam es nicht mehr.
Georgina hatte sich ein Herz gefaßt, war von hinten auf James' Rücken gesprungen und brüllte ihm ins Ohr: »James, bitte, er ist mein Bruder!« - Und der Mann ließ einfach los.
Clinton und Drew ließen ebenfalls von ihm ab, um Warren aufzufangen, der umzukippen drohte. Sie halfen ihm auf den nächsten Stuhl, untersuchten seinen Hals, fanden aber keine ernsthaften Verletzungen. Er hustete sich nur beinahe die Seele aus dem Leib.
Georgina glitt langsam von James Rücken herab und zitterte wie Espenlaub. Noch war ihre Wut nicht wieder aufge-flammt, doch als er sie anblickte, erkannte sie, daß er kurz vorm Explodieren war.
»Ich hätte ihm binnen zwei Sekunden den Kragen umdrehen können! Weißt du das überhaupt?«
Sie zuckte unter seinem Wutausbruch zusammen. »Ja, ich
... wir wissen es.«
Einen unendlichen Augenblick lang funkelte er sie an.
Und sie spürte genau, daß er längst nicht seinen ganzen Arger an Warren ausgelassen hatte, daß er sich noch einen guten Teil davon für sie aufgespart hatte; die grünen Augen spieen Feuer und sein ganzer Körper vibrierte vor Anspannung.
Plötzlich war alles vorbei und er überraschte sie und alle Anwesenden mit einem gebrummten »Dann bringt schon den Pfaffen her, bevor ich es mir anders überlege.«
Es dauerte keine fünf Minuten, den guten Reverend Teal ausfindig zu machen, der ebenfalls als Gast auf der Party weilte, die in den übrigen Räumen noch in vollem Gange war. Wenig später waren Georgina und James Malory, Vicomte von Ryding, ehemaliger Pirat und Gott weiß was sonst noch alles, ein Ehepaar. Eigentlich hatte sie sich ihre Hochzeit etwas anders vorgestellt in all den Jahren, in denen sie geduldig auf Malcolms Rückkehr gewartet hatte. Geduldig? Nein, jetzt sah sie ein, daß es eher Gleichgültigkeit war.
Und davon war bei allen Beteiligten im Raum überhaupt nichts zu spüren.
James hatte sich ins Unvermeidliche gefügt, aber nur äu-
ßerst widerwillig. Unmut und Zorn waren nur ein Teil der unpassenden Gefühle, die er an seiner Hochzeit zur Schau stellte. Und Georginas Brüder waren keinen Deut besser: Fest entschlossen, sie zu verheiraten, verabscheuten sie jede Sekunde der Zeremonie und sahen sich auch nicht veranlaßt, dies zu verbergen. Sie selbst hatte eingesehen, daß sie nicht auf stur schalten und dieser Komödie ein Ende machen konnte, nicht mit einem Kind unter dem Herzen, an dessen Wohl sie denken mußte und das von seinem Namen profi-tieren würde.
Sie fragte sich im stillen, ob sich irgendeiner der Anwesenden anders verhalten würde, wenn er von dem Baby wüßte, doch das bezweifelte sie. James war zu dieser Heirat gezwungen worden, und an dieser erniedrigenden Tatsache war nicht zu rütteln. Im Nachhinein würde es vielleicht einen Unterschied machen, seine Schmach etwas erleichtern, wenn sie es ihm irgendwann einmal gestehen würde ... oder auch nicht, wenn Warren seinen Kopf durchsetzen sollte.
Und er setzte seinen Kopf durch, genau in dem Moment, als der gute Reverend beide zu Mann und Frau erklärt hatte:
»Sperrt ihn ein. Seinen ehelichen Verpflichtungen ist er ja bereits schon zur Genüge nachgekommen.«
35. Kapitel
»Glaubst du im Ernst, du kannst diese Schau ein zweites Mal abziehen, Georgie?«
Georgina, die gerade damit beschäftigt war, eine Schublade aufzubrechen, streckte erschrocken ihren Kopf hinter Clintons Schreibtisch vor. Da stand Drew, der spöttisch den Kopf schüttelte, und neben ihm Boyd, der Drews Frage nicht recht verstand.
Langsam kam Georgina hoch, wütend darüber, erwischt worden zu sein. Zum Teufel auch, sie war sich so sicher, daß alle bereits zu Bett gegangen waren. Drew hatte natürlich gleich
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