Malory
Augen blieben stur auf das Tablett geheftet, und sie blickte nicht auf, als sie es auf dem Tisch abstellte.
Hinter dem Tisch nahm sie eine große Gestalt wahr, die vor einer Wand mit wunderschönen Bleiglasfenstern stand, durch die ein sanftes Licht in den Raum fiel. Sie hielt ihren Blick noch immer gesenkt und nur der Schatten ließ sie ungefähr ahnen, wo der Kapitän stand.
Gestern bereits hatte sie diese Fenster bewundert, als sie sich mit der Kabine vertraut gemacht und alles für die Ankunft des Kapitäns vorbereitet hatte. Dieser Raum hätte oh-ne weiteres auch bei einem König Anklang gefunden. So ei-ne exquisite Ausstattung hatte Georgina noch nie gesehen, zumindest nicht auf einem Skylark-Schiff.
Die Einrichtung bestand ausschließlich aus ausgefallenen Einzelstücken. An dem langen Eßtisch stand ein kostbarer Sessel, ein Modell im neuesten französischen Empirestil. Das Gestell war aus messinggefaßtem Mahagoniholz gearbeitet, und die Polsterbezüge zierte ein wundervolles Blumenmuster auf elfenbeinfarbenem Hintergrund. Noch fünf weitere dieser Sessel waren in der Kabine verteilt; zwei vor den Fenstern, zwei vor und einer hinter einem repräsentativen Schreibtisch, ein erlesenes Stück, mit klassischen Holzschnit-zereien. Das Bett war ein antikes Prachtwerk der italieni-schen Rennaissance, mit kunstvoll geschnitzten Holzpfosten und einem von bogenförmigen Säulen umrahmten Kopf teil.
Die Matratze bedeckte eine blütenweiße seidene Steppdecke.
Ein großer chinesischer Teakholzschrank ersetzte die sonst übliche Seemannskiste; einen ähnlichen Schrank hatte ihr Vater ihrer Mutter damals kurz nach der Hochzeit von einer Fernostreise mitgebracht. Dieser hier war mit Einlegearbeiten aus Jade, Lapislazuli und Perlmutt reichlich verziert. Neben einer Queen-Anne-Kommode aus geflammten Walnuß-
holz stand eine moderne Ebenholzuhr mit Messingbeschlä-
gen.
Statt der üblichen Wandregale besaß er einen Mahagoni-bücherschrank mit vergoldeten, geschnitzten Ornamenten und Glastüren, hinter denen acht Reihen wertvoller Bücher standen. Eine andere Kommode war im Riesener Stil gehalten, mit Einlegearbeiten, Blumenmustern und vergoldeten Zierleisten. Ein großer lederbespannter Wandschirm, mit der Darstellung einer englischen Landschaft bemalt, trennte die Ecke des Raumes ab, wo sich die Badewanne befand, offenbar eine Sonderanfertigung, denn sie war extrem lang und breit, aber Gott sei Dank nicht so tief, denn sie würde ja das heiße Wasser schleppen müssen.
Ein Durcheinander von nautischen Meßinstrumenten bedeckte den Schreibtisch. Eine kniehohe, nackte Bronzefigur saß auf dem Boden und neben der Badewanne stand ein großer
Kupferkessel.
Zahlreiche,
ganz
unterschiedliche
Lampen waren an den Möbeln angeschraubt oder baumel-ten an Haken von der Decke. Große und kleinere Gemälde zierten die Wände und dicke Orientteppiche bedeckten den Fußboden. Dieser Raum erinnerte wirklich eher an einen Gouverneurspalast als an eine Schiffskabine. Und doch sagte dieser Raum nicht mehr über Kapitän Malory aus, als daß dieser ein wenig exzentrisch und ein Liebhaber edler Möbel war, wenn auch die Zusammenstellung etwas eigen-willig wirkte.
Georgina wußte nicht, ob der Kapitän sie ansah oder aus dem Fenster schaute. Noch immer traute sie sich nicht hoch-zublicken, obwohl ihre Nerven durch das lange Schweigen zum Zerreißen gespannt waren. Sie hoffte, den Raum verlassen zu können, ohne seine Aufmerksamkeit zu erregen -
wenn es nicht schon zu spät dafür war. Warum sagte er nichts? Er mußte doch sehen, daß sie hier stand und nur auf seine Anordnungen wartete.
»Ihr Essen, Kapitän ... Sir.«
»Warum flüsterst du so?« Seine Stimme klang genauso leise wie die ihre.
»Man hat mir gesagt, daß Sie ich hörte, sie hätten zuviel getrun ....« Sie räusperte sich und erhob ihre Stimme, um sich eilig zu berichtigen. »... Kopfschmerzen, Sir. Mein Bruder Drew beschwert sich auch immer über laute Geräusche, wenn er …, wenn er Kopfschmerzen hat.«
»Ich dachte, dein Bruder heißt Ian?«
»Ich habe noch andere Brüder.«
»Die haben die meisten von uns, das ist das Schlimme«, bemerkte er trocken. »Meiner versuchte letzte Nacht, mich unter den Tisch zu trinken. Hätte es wohl besonders spaßig gefunden, wenn ich heute nicht hätte lossegeln können.«
Georgina mußte innerlich schmunzeln. Wie oft hatten ihre Brüder untereinander dasselbe versucht. Und auch sie blieb von ihren derben Scherzen nicht
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