Malory
Stanley, das älteste Mitglied des Stadtrats von Havers Town, waren vor einigen Jahren erschienen, um ihn als neuen
›Nachbarn‹ bei seinem ersten Besuch in Haverston zu begrüßen. Keinen dieser Männer hatte er seitdem wiedergesehen, außerdem sah er keinen Grund, sie aufzusuchen, wenn er in Haverston weilte. Also konnte er sich jetzt kaum vorstellen, was sie ein zweites Mal hierher führte, vor allem so spät am Abend. Sie ließen ihn nicht lange im unklaren und kamen sofort auf den Grund ihres Besuchs zu sprechen.
»Wir wurden heute überfallen, Lord Malory.«
»Von einer Horde gottloser Diebe und Sündenverkäufer«, berichtete Reverend Biggs höchst entrüstet.
Walter pickte sich das Wort ›gottlos‹ heraus und fragte:
»Daraus kann man also auch schließen, daß es ›gottes-fürchtige‹ Diebe gibt, oder?«
Wieder eine sarkastische Bemerkung, aber der gute Reverend nahm ihn ernst und antwortete steif: »Heiden sind es für gewöhnlich, Mylord.«
David wurde bei dem Wort ›Sünde‹ hellhörig. »Welche Art von Sünden haben sie verkauft?«
Aber Christopher, der über die weitere Unterbrechung seiner Arbeit verärgert war, wollte ungehalten wissen: »Warum kommen Sie mit dieser Angelegenheit zu mir? Warum haben Sie die Verbrecher nicht einfach eingesperrt?«
»Weil sie nicht beim Stehlen ertappt wurden. Sie sind sehr raffiniert, die Heiden.«
Christopher winkte ungeduldig ab, da seine Frage noch nicht beantwortet war. »Als Bürgermeister können Sie die Leute auffordern, Ihre brave Stadt sofort zu verlassen. Ich wiederhole also meine Frage. Warum kommen Sie mit dieser Angelegenheit zu mir?«
»Weil sich die Zigeuner nicht in unserer Stadt aufhalten, Lord Malory. Sie lagern auf ihrem Grund, und da sind wir nicht zuständig.«
»Zigeuner? Oh, diese Art von Sünde«, sagte David mit nicht zu überhörendem Kichern, was ihm ein mißbil-ligendes Stirnrunzeln des Geistlichen einbrachte.
»Das heißt also, Sie möchten, daß ich sie auffordere, meinen Grund und Boden zu verlassen«, meinte Christopher.
»Natürlich will er das, Kit. Und Walter und ich begleiten dich zur Unterstützung. Wir können doch nicht zulassen, daß du allein dorthin gehst, oder? Kommt nicht in Frage.«
Christopher rollte die Augen. Seine Freunde hatten schließlich doch etwas zu ihrer Unterhaltung gefunden, und so wie die zwei ihn anblickten, freuten sie sich sogar darauf.
Kapitel Dreizehn
N och nie habe ich so viele verheiratete Männer an einem Ort angetroffen«, sagte Anastasia empört, als sie sich abends neben ihre Großmutter ans Lagerfeuer setzte. »Enttäuschend für eine größere Stadt, Groß-
mama. Mir ist kein Mann begegnet, der nicht entwe-der zu alt, zu jung oder zu . .. unannehmbar war.«
»Nicht einer?« meinte Maria überrascht.
»Kein einziger.«
Nachdenklich runzelte Maria die Stirn, bevor sie wei-tersprach. »In welcher Hinsicht ›unannehmbar‹?«
»Nun, ich hätte mir einfach nicht vorstellen können, mich in einen von ihnen zu verlieben.«
Maria seufzte mit einem verständnisvollen Nicken.
»Nein, ein solcher Mann nützt uns nichts. Also gut, dann werde ich Iwan heute nacht mitteilen, daß wir weiterziehen müssen. Er wird mich nicht nach dem Grund fragen. Du kannst es in der nächsten Stadt versuchen.«
»Sagtest du nicht, du wolltest noch eine Weile an diesem Lagerplatz bleiben, weil dir die Ruhe und der Frieden an dieser kleinen Lichtung wohl täten?«
»Ja, aber wir werden uns einen anderen friedlichen Platz suchen. Mach dir meinetwegen keine Sorgen, mein Kind. Ich bin entschlossen, so lange bei dir zu bleiben, bis du verheiratet bist ... nur muß es noch in dieser Woche geschehen.«
Bei diesen Worten fielen Anastasias Schultern schlaff herunter. Sie hatte sich vorgenommen, nicht wieder zu weinen. Da ihre Großmutter im hohen Alter solche Schmerzen hatte, wäre es sehr selbstsüchtig, wenn sie sich wünschte, sie bliebe noch lange am Leben, nur weil sie ohne ihre Liebe und Fürsorge verloren war.
So wenig Zeit blieb noch! So vieles wollte sie dieser Frau noch sagen, die sie großgezogen hatte. Für so vieles wollte sie ihr danken. Aber ihr fiel nicht das Passende ein, um alles mit Worten zum Ausdruck zu bringen, außer ...
»Ich habe dich lieb, Großmama.«
Ein Lächeln erhellte Marias Gesicht, als sie Anastasias Hand ergriff und drückte. »Du wirst deine Sache gut machen, Tochter meines Herzens. Dein Instinkt wird dich führen, und die Gabe des Hellsehens wird dir helfen. Das
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