Malory
dich ziehen lassen. Jetzt geh zu Bett, mein Kind. Du brauchst deinen Schlaf, damit du morgen deine sieben Sinne beisammen hast, denn morgen wird sich dein Schicksal entscheiden.
Kapitel Zwölf
U nd in wessen Bett hat sie sich diese Woche amü-
siert?«
»Lord Maldons. Dem hätte ich wirklich mehr Verstand zugetraut. Er kann sich doch denken, daß sie ihm die Syphilis anhängt, wenn sie weiterhin meint, sie müsse es so wild treiben wie Delilah, die letzte große Courti-sane.«
»Die könnte er sich doch schon längst woanders geholt haben.«
»Hm, ja, dann spielt es natürlich keine Rolle. Tja, man muß eben auf Abwechslung verzichten. Halte dir eine feste Geliebte, so wie ich. Vielleicht lebt man dadurch länger.«
»Warum heiratest du denn nicht, wenn du nur bei einer Frau bleiben willst?«
»Gott bewahre! Nichts bringt dich schneller ins Grab als eine zänkische Frau. Beiß dir Heber auf die Zunge, wenn dir das nächste Mal ein so abwegiger Gedanke einfällt. Abgesehen davon, was hat das mit einer Ehe zu tun, wenn man sich nur eine Frau hält?«
Christopher Malory hörte dem Geschwätz seines Freundes kaum zu. Er hätte seine Kumpane nicht mitnehmen sollen. Sie erwarteten, daß er sie unterhielt, und zeigten bereits Anzeichen der Langeweile, als sie in seinem Arbeitszimmer auf den Stühlen unruhig hin und her rutschten und uralten Tratsch wieder aufwärmten. Aber er war nicht nach Haverston gekommen, um sich Gäste einzuladen. Er kam zweimal im Jahr, um die Geschäftsbücher durchzusehen, und genau das hatte er diesen Abend vor, um dann so schnell wie möglich wieder abzureisen.
Das hieß aber nicht, daß in London geschäftliche oder private Verpflichtungen auf ihn warteten: Er verließ Haverston so eilig, weil er sich dort nie wohl fühlte, ja, wenn er zu lange dort blieb, geriet er in einen Zustand seelischer Bedrückung.
Es war ein dunkler, düsterer Ort mit alten Möbeln und Tapeten in häßlichen, langweiligen Grautönen. Sogar die Dienstboten sahen griesgrämig aus und sagten kein Wort zu ihm, außer »Ja, Mylord« und »Nein, Mylord«.
Er hatte sich schon überlegt, das Haus zu renovieren, aber wozu der Aufwand, wenn er nicht den Wunsch hatte, sich länger als nötig in Haverston aufzuhalten, um die Bücher zu überprüfen und sich die Beschwer-den des Gutsverwalters anzuhören?
Haverston war im Hinblick auf Erträge und Größe ein durchaus stattlicher Besitz, aber er wollte es nicht, noch brauchte er es. Er besaß bereits ein sehr hübsches Anwesen in Ryding, das er auch nur selten aufsuchte -
das beschauliche Landleben eines Viscounts interessierte ihn eben nicht. Haverston wurde ihm samt Adelstitel aus Dankbarkeit verliehen, weil er dem König un-wissentlich das Leben gerettet hatte.
Es war nicht absichtlich geschehen, daß er dem König zu Hilfe eilte. Es war reiner Zufall, daß er gerade in dem Augenblick aus der Kutsche stieg, als ein durchge-gangenes Pferd an ihm vorbeigaloppierte. Durch sein Auftauchen scheute das Pferd und bäumte sich auf, so daß der Reiter mehr oder weniger in Christophers Schoß fiel; jedenfalls lag Christoph flach am Boden und der Mann schwer auf ihm.
Wie der Zufall es wollte, entpuppte sich der Reiters-mann als sein König, der in dem nahe gelegenen Wald gejagt hatte, als sein Pferd plötzlich von einem kleinen Tier erschreckt wurde. König George war natürlich höchst dankbar über Christophers Eingreifen, das ihm, so schwor er, das Leben gerettet hatte, und er ließ es sich nicht nehmen, seinem Retter großzügig zu danken.
Sein Verwalter, Artemus Whipple, saß ihm am Schreibtisch gegenüber und lauschte lieber den Klatschgeschichten als der Auflistung geschäftlicher Anordnungen. Christopher mußte seinen Namen zweimal sagen, um die Aufmerksamkeit wieder auf die letzte Frage zu lenken, die er wiederholte.
Whipple war ein untersetzter Mann mittleren Alters, der mit dem Gut in sein Leben getreten war. Christopher sah keinen Grund, ihn zu ersetzen. Solange das Gut Gewinn erwirtschaftete, was der Fall war, konnte er ihm nichts vorwerfen, auch wenn ihm einige der Ausgaben übertrieben hoch erschienen, aber sein Verwalter hatte stets eine plausible Entschuldigung dafür.
Manche Ausgaben allerdings waren so astronomisch hoch, daß er ihnen nachgehen mußte.
»Fünfzig Pfund für Arbeiter, die die Äcker pflügen und bestellen? Haben Sie die Leute aus beiden Teilen Amerikas kommen lassen?«
Whipple war der Sarkasmus nicht entgangen und lief rot an. »Sie
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