Malory
jetzt ein Mann; er kann selbst entscheiden, was er aus diesem Schlamassel macht. Au-
ßerdem, nur weil Jason das sagt? Kommt nicht infrage.«
Anthony grinste. »Ich habe verdammt Glück gehabt, dass ich zufällig gerade dabei war, als er seine Schimpfkanonade losgelassen hat. Ich weiß genau, dass du mir hinterher nichts davon erzählt hättest.«
»Natürlich hätte ich das. Geteiltes Leid ist halbes Leid.«
Auch sie trafen Jeremy nicht zu Hause an, doch im Unterschied zu Jason wusste James, wen er fragen konnte, wo sein Sohn steckte.
»Er hat sich auf die Suche nach dem Mädchen begeben«, gab Artie Auskunft. »Sie hat sich aus dem Staub gemacht.«
»Haben sie sich gestritten?«
»Ich glaube nicht. Sie will sich eine neue Stelle suchen, hat das Küchenmädchen gesagt.«
»In welche Richtung hast du ihn denn geschickt?«, fragte James schmeichelnd.
»In gar keine. Aber das Küchenmädchen hat ihm gesagt, das Mädchen wolle zuerst nach Hause und sich von dort aus nach einer neuen Stelle umsehen.«
»Und in welche Richtung schickst du mich jetzt?«
»Auch in keine«, erwiderte Artie stur, sehr zu James’
Verwunderung. »Es sei denn, Sie nehmen mich mit, damit ich dafür sorgen kann, dass Sie heil zurückkommen.«
»Gewiss. Anders würde ich es gar nicht haben wollen.
Also, wo sucht Jeremy nach der Kleinen?«
»Im übelsten Teil der Stadt, den Sie sich vorstellen können. Im ärmsten aller Armenviertel.«
»Hast du über das Waisenhaus nachgedacht, Dagger?«
»Nein«, murmelte Dagger. »Hast du dir das überhaupt richtig überlegt? Was ist, wenn das Ganze nicht klappt, he? Du machst den Kleinen Hoffnungen auf ein besseres Leben, und dann wird ihnen alles wieder weggenommen, weil wir’s nicht bezahlen können. Dann hast du einen Haufen enttäuschte Kinder, denen es dreckiger geht als vorher. Jetzt erwarten sie wenigstens nichts Besseres und sind mit dem zufrieden, was sie haben.«
Er hatte also doch darüber nachgedacht. Und ein Scheitern hatte Danny tatsächlich nicht in Betracht gezogen. Aber Dagger war einfach zu negativ. Mit so einer Einstellung musste die Sache ja schief gehen.
»Ich habe heute Morgen eine gute Stelle gefunden, gleich bei meiner ersten Bewerbung.«
»Was willst du damit sagen?«
»Oben im Villenviertel zahlen sie besser. Wenn du ebenfalls in der Gegend Arbeit finden würdest, könnten wir das Waisenhaus dort aufmachen. Es ist ganz angenehm da, keine Adligen, meistens Geschäftsleute.«
»Vergiss es«, schnauzte Dagger sie nun an. »Ich hab noch nie eine richtige Stelle gehabt.«
»Hast du doch. Du bist Organisator, Manager, Vorar-beiter und hast hier noch eine Menge andere Sachen seit Jahren gemacht.«
»Ich weiß, was ich weiß, und ich versuch nicht, was Unmögliches zu erreichen. Mach, dass du wegkommst.
Deine hochgestochenen Vorstellungen können wir hier nicht brauchen. So ein Waisenhaus kriegst du nur mit staatlicher oder privater Unterstützung hin.«
»Und wenn ich private Unterstützung bekommen könnte, wärst du dann bereit, ein Waisenhaus aufzuma-chen?«
»Klar. Du richtest es ein, und ich leite es für dich.«
Doch schon wurde Daggers Ton wieder spöttisch. »Du hast also jetzt reiche Freunde, was?«
Das sagte er nur, weil er glaubte, sie hätte nicht die geringsten Aussichten darauf, ihren Plan zu verwirklichen.
Vielleicht hatte er damit sogar Recht. Aber sie würde trotzdem nicht aufgeben.
»Das hat sie wirklich.«
Danny wirbelte herum und fuhr zusammen, als sie Jeremy in der Tür stehen sah. Er starrte sie an, als wollte er sie packen und durchschütteln – oder fest in die Arme schließen. Ja, sein Blick war so voller widerstreitender Emotionen, dass sie nicht genau erkennen konnte, was er empfand. Schließlich riss er den Blick von ihr los und schaute sich nach dem Haufen Kinder um, die herbeige-kommen waren, um den Lackaffen anzuglotzen, der sich in ihr Viertel verirrt hatte.
Er warf einem der Kleinen eine Münze zu und sagte:
»Sei so gut und pass für mich auf meine Kutsche auf.
Wenn sie noch da ist, wenn ich wieder rauskomme, bekommst du noch ein Geldstück. Wenn nicht, helfe ich dir, dein Grab zu schaufeln, bevor ich dich hineinlege.«
Das riss Danny aus ihrer Benommenheit. Sie eilte zur Tür. »Das hat er nicht so gemeint«, erklärte sie dem Jungen, der mit offenem Mund dort stehen geblieben war.
»Setz dich einfach in die Kutsche und schrei ganz laut, wenn jemand versucht, sie zu klauen.«
Dann entfernte sie sich ein paar Schritte
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