Malory
überhaupt so lange ausgehalten hat.«
»Willst du mir etwa sagen, dass er sich tatsächlich von der Eisenkette an seinem Fuß befreien konnte?«
»Nein, soweit ich weiß, hat er sie noch um, sie ist nur an nichts mehr befestigt, was seine Bewegungsfreiheit hemmen könnte. Er hat gewartet, bis deine Crew nachlässig wurde, weil sie dachte, die Gefahr sei vorüber, dann hat er seine Kette aus der Wand gerissen und ist einfach durch die Bretter spa-ziert, mit denen ihr das Loch vernagelt habt, das er neulich in seine Kabinenwand gebrochen hat.«
»Was habt ihr mit meiner Mannschaft gemacht?«
Drew grinste noch breiter und sagte: »Was glaubst du wohl?«
»Wenn ich es wüsste, würde ich ja nicht fragen«, fauchte Gabrielle.
Drew kicherte in sich hinein, er war offenbar hocherfreut über die veränderten Umstände. »Deine Männer sind gut un-tergebracht – in dem überaus angenehmen Quartier, das ihr auch meiner Mannschaft zur Verfügung gestellt habt. Und dann bin ich direkt hierher gekommen, um mich um dich zu kümmern.«
Und an seiner Betreuung war nichts zu bemängeln gewesen. Beide wurden still bei dem Gedanken an das, was sie in der vergangenen Nacht in dieser Kajüte gemacht hatten. Wie dumm sie gewesen war, seinem Süßholzgeraspel zu glauben!
Nur weil sie unbedingt wissen wollte, wie er als Liebhaber war.
Drews Heiterkeit war schlagartig verflogen, er fragte zö-
gerlich: »Ich nehme nicht an, dass du gerade deine Tage hast?«
Gabrielle starrte ihn wütend an. Sie hatte das verschmierte Blut auf ihren Schenkeln auch gesehen, als sie den Morgenrock zugezogen hatte. »Nein, habe ich nicht.«
»Wenn ich gewusst hätte«, erwiderte er daraufhin ernüchtert, »wenn ich nur eine Sekunde geglaubt hätte, dass du noch Jungfrau bist, wäre das nie passiert.«
Das bezweifelte Gabrielle angesichts seines Rufes, doch sie sagte bloß: »Und warum hast du ganz selbstverständlich angenommen, ich sei keine Jungfrau mehr?«
»Weil du eine verflixte Piratin bist.«
An seiner Logik war nichts auszusetzen, schließlich hatte sie es darauf angelegt, dass er das glaubte, trotzdem fiel ihre Antwort bitter aus: »Ich war so oder so ruiniert, meiner Ansicht nach macht das nun auch keinen großen Unterschied mehr.«
Damit meinte sie sowohl die Gerüchte, die er in England über sie gestreut hatte, wie das, was in der vergangenen Nacht zwischen ihnen vorgefallen war. Gabrielle hatte jedoch den Eindruck, dass Drew sie gar nicht verstand, dass er nur eines im Kopf hatte, als er wieder das Wort ergriff: »Ich werde es wieder gutmachen.«
»Wie soll das gehen? So etwas kann man nicht mehr behe-ben, du Mistkerl.«
»Nein, das kann ich nicht«, stimmte er zu. »Aber ich werde es wieder gutmachen, indem ich dich nicht mit dem Rest deiner Mannschaft ins Gefängnis werfen lassen werde, wenn wir den nächsten Hafen erreichen.«
Klang da tatsächlich Schuldbewusstsein mit? Falls ja, hatte sie einen Ansatzpunkt, den sie zu ihrem Vorteil nutzen musste. »Das wird mir auch nicht helfen, meinen Vater zu retten.«
Drew lüpfte eine einzelne Braue. »Möchtest du lieber ins Kittchen?«
»Natürlich nicht, aber ich kann meinen Vater doch nicht allein aus diesem Kerker befreien. Ich brauche Hilfe.«
»Also stimmt die Geschichte, die du mir aufgetischt hast?«
Gabrielle seufzte. Hatte er ernstlich geglaubt, sie hätte ge-logen, nur um einen Vorwand zu haben, sein Schiff zu kapern?
Dummkopf, Piraten brauchten keine Entschuldigungen.
»Selbstverständlich stimmt sie, noch dazu ist er in einer verdammten Festung gefangen. Und das, was Pierre als Auslöse verlangt, ist mehr, als ich zu geben bereit bin.«
»Du hast nicht genug Geld? Ich dachte, du hättest geerbt.«
»Mit einer Geldforderung hätte ich kein Problem, aber Pierre will etwas anderes. Er will die Schatzkarten meines Vaters und ich soll sie ihm bringen.«
»Du willst mir also sagen, dass du zu selbstsüchtig bist, um das Leben deines Vaters gegen ein paar alte Karten einzutau-schen?«
Gabrielle schnappte nach Luft. Dem Gesichtsausdruck nach schien Drew seine Worte bereits zu bereuen. Doch einmal ausgesprochen, enthüllten sie seine wahre Meinung über sie. Und trotz der Tatsache, dass Gabrielle Drew ebenfalls verachtete, fühlte sie sich tief getroffen.
»Das habe ich nicht so gemeint«, lenkte er ein.
»Nein, du hast ja recht. Meinen Vater würde Pierre umbringen, aber mich nicht, daher bin ich in gewisser Weise schon selbstsüchtig, wenn ich ihm nicht gebe, was er
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