Malory
Offizier. Timothy hatte ihnen bereits am Abend zuvor beim Essen Gesellschaft geleistet. Doch als der vierte Geladene zusammen mit dem ersten Offizier hereinkam, verschlug es Gabrielle die Sprache.
Richard! Sie war so froh ihn zu sehen, dass sie sich nicht darum scherte, was die anderen denken mochten, als sie sich ihm an den Hals warf und ihn überschwänglich umarmte.
Gabrielle wurde zwei hastig geflüsterte Fragen los, ehe sie Drews eindringlichen Blick registrierte. »Geht es allen gut?«, fragte sie.
»So gut, wie es bei der beengten Unterbringung möglich ist«, erwiderte er. »Immerhin war unser Gastgeber so freundlich, mir eine geeignete Abendgarderobe zur Verfügung zu stellen.« Richard strich mit der Hand über sein frisch gewaschenes weißes Hemd und die schwarze Hose.
»Aber was zum Teufel sollst du hier?«
»Das weiß ich genauso wenig wie du, chérie«, entgegnete Richard ebenso leise. »Man hat mir nur gesagt, oder besser befohlen, ich solle mich nicht wie ein Gefangener benehmen.«
Als sie das hörte, warf Gabrielle Drew einen Blick zu, doch er lächelte nur und lehnte sich zurück, um die Wiedervereini-gung zu betrachten. Richard neigte sich ihr zu. »Darf ich dir noch sagen, wie hübsch du heute Abend aussiehst, Gabrielle?«
Er musterte ihr schlichtes rosafarbenes Abendkleid mit dem ausladenden Dekollete. »Ich vermute, unser Kapitän hat auch deine Robe ausgewählt. Offensichtlich möchte er sich heute Nacht amüsieren.« Richard zwinkerte ihr zu. Gabrielle errö-
tete, machte jedoch keinen Versuch, noch einmal heimlich mit Richard zu sprechen. Drew hatte Richard sicher nicht eingeladen, um ihr eine Freude zu machen, und das gab ihr zu denken. Das Essen traf gleich nach Richards Ankunft ein. Vier Seeleute waren nötig, um die angerichteten Teller hereinzutragen, und ein weiterer kam mit einem ganzen Arm voller Weinfla-schen. Vor Freude darüber, dem Frachtraum entkommen zu sein, trank Richard mehr als ihm guttat. Gabrielle dagegen rührte ihren Wein kaum an.
Drew hatte seinen Koch angewiesen, nur das Allerbeste zu servieren, daher übertraf das Essen weit ihre Vorstellungen von einem Dinner auf See. Roastbeef mit zwei verschiedenen Soßen, glasierte Zwiebeln und Karotten, drei verschiedene Brötchensorten zur Auswahl, Yorkshire-Pudding, Röstkar-toffeln und sogar ein Salat mit einem cremigen Knoblauch-dressing. Sie musste unbedingt herausfinden, wie Drews Koch es anstellte, Salat auf See frisch zu halten.
Angesichts einer derart opulenten Mahlzeit kam eine recht festliche Stimmung auf. Mit der Zeit fühlten sie sich sogar wie bei einer echten Feier. Richard entspannte sich und erheiterte die Runde mit seinen üblichen Scherzen. Gabrielle hörte auf, sich um den Grund seiner Anwesenheit zu sorgen. Und sogar Drew schien sich zu amüsieren.
»Da fällt mir ein«, sagte Timothy in einer kurzen Gesprächspause zu Drew, »der Ausguck schwört, dass er auf einem der Schiffe, die wir direkt vor dem Sturm kurz gesich-tet haben, deine Schwester und deinen Schwager entdeckt hat.«
Als sie das hörte, wurde Gabrielle blass. Drew dagegen brach in schallendes Gelächter aus.
Dann sagte er: »Ich sage es ja nicht gern, aber ich hatte es dir prophezeit ...«
»Ja, sicher bricht es dir das Herz, also sei still«, unterbrach Gabrielle ihn abrupt, ernstlich verärgert über seine Erheiterung. »Vielleicht hat der Ausguck sich getäuscht.«
Da mischte Richard sich ein: »Kann es sein, dass er über Lady Malory redet?«
»Ach, du meine Güte, Richard«, blaffte Gabrielle. »Vergiss sie!«
Zunächst schrak ihr Freund zusammen, doch dann zuckte er die Achseln. »Ich hab’s versucht, Gabby. Wirklich, aber ich kann meine einzig wahre Liebe einfach nicht vergessen.«
Das ernüchterte Drew so sehr, dass er fragte: »Spricht er et-wa von meiner Schwester?«
»Nun ja«, trotz ihres finsteren Blicks erklärte Gabrielle dem Kapitän mit zuckersüßer Stimme, »er hat sich Hals über Kopf in sie verliebt und will auf keinen vernünftigen Rat hö-
ren. Auch nicht darauf, dass ihr Mann ihm alle Knochen brechen wird, falls er sich nur in ihre Nähe wagt.«
»Da wird sich James hinten anstellen müssen«, knurrte Drew, indem er aufstand und einen Schritt auf Richard zuging.
Damit hatte Gabrielle nicht gerechnet und auf der Stelle bereute sie, ihn provoziert zu haben. Schnell stellte sie sich zwischen die beiden Männer, um die Situation, die sie herauf-beschworen hatte, so gut es ging zu entschärfen.
»Ach,
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