Malory
versuchte er bloß, darum herumzureden, und hoffte, es ganz umgehen zu können, ihr einen Grund für sein Tun zu liefern? Vielleicht gab es ja auch gar keinen Grund, und er hatte es einfach nur aus Spaß gemacht.
Und dann fuhr Drew in dem lässigen Tonfall, den er angeschlagen hatte, fort: »Weißt du, Schätzchen, wenn ich nicht der gleichen Ansicht gewesen wäre wie alle anderen, hätte ich dich an dem Tag, an dem wir im Park waren, doch nie geküsst.«
Das hatte nach Gabrielles Ansicht so wenig mit ihrem augenblicklichen Thema zu tun, dass sie sich nicht vorstellen konnte, warum er es überhaupt ansprach. Aber dann ging ihr auf, dass das »Thema« ja noch gar nicht bekannt war, also sprach er womöglich von etwas völlig anderem. Konnte das sein?
Ein wenig verwirrt fragte sie: »Wieso?«
»Hätte ich dich für eine Jungfrau gehalten, wärst du für mich tabu gewesen. Also habe ich mir eingeredet, dass du keine mehr bist, und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich dich einfach küssen musste. Um ehrlich zu sein, hat es mich verrückt gemacht. Vielleicht kannst du das jetzt, wo du selbst auf den Geschmack gekommen bist, verstehen.« Gabrielle schaute Drew so finster an, dass er die Achseln zuckte. »Nein?
Nun, damals habe ich mir eingeredet, du hättest die Moral einer Piratin, weil ich wusste, dass das der einzige Weg war, wie ich dich haben konnte.«
»Und um zu bekommen, was du wolltest, war es völlig in Ordnung, meinen guten Namen in meinem Heimatland in den Dreck zu ziehen?«, Gabrielle schrie ihn regelrecht an.
Drew beugte sich so abrupt vor, dass sein Wein auf den Tisch schwappte.
Gabrielle äffte nach, was er auf dem Ball gesagt hatte: »›Damit würde ich nicht rechnen, es sei denn, sein Vater hat nichts gegen Piraten in der Familie einzuwenden.‹«
Drew lachte. »Das war doch nur ein Jux. Du hast doch selbst gesagt, dass es dir nichts ausgemacht hat.«
»Natürlich hat es das und niemand hat es als Scherz aufge-fasst, du Trottel. Was du gesagt hast, hat sofort die Runde gemacht. Jeder in London hält mich jetzt für eine Piratin. Und alles deinetwegen!«
»Aber du bist eine Piratin.«
»Nein, bin ich nicht!«
Das hatte sie nicht sagen wollen, so schnell hatte sie ihre Tarnung nicht auffliegen lassen wollen. Doch sie hatte sich von ihrem Ärger leiten lassen, weil er immer noch kein bisschen Reue für sein Tun zeigte.
Dem Aussehen und dem Tonfall nach war er eher auf Widerspruch eingestellt, als er fragte: »Und wie zum Teufel nennt man Leute, die Schiffe stehlen, wenn nicht Piraten?«
»Du hattest es nicht besser verdient!«, blaffte Gabrielle.
»Du hast dafür gesorgt, dass ich in England keine gute Partie mehr machen kann, und als Wiedergutmachung habe ich dir dein Schiff genommen.«
»Also war das mit der Rettung deines Vaters nichts als Lü-
ge?«
»Nein, ich habe nur zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.« Sie schnitt ihm ein Gesicht. »Die perfekte Lösung für zwei Probleme.«
»Ein Problem. Du hast gesagt, du lebst lieber auf den Inseln. Also warum hast du nicht dort nach einem Ehemann gesucht, sondern in England?«
Gabrielle holte tief Luft. Wollte er sich wirklich mit dieser Entschuldigung aus der Verantwortung stehlen?
»Mein Vater wollte, dass ich dort einen guten Ehemann finde. Seine und auch meine Hoffnungen sind zerstört, wenn er erfährt, dass das nun nicht mehr möglich ist.«
»Seine Ziele waren eben zu hochgesteckt für einen Piraten.«
Gabrielle riss ungläubig die Augen auf. »Und du glaubst, deshalb trifft dich keine Schuld? Denk mal einen Augenblick nicht an meinen Vater und überleg, was du sonst noch mit deinem Jux angerichtet hast. Der gute Name meiner Mutter war ohne Makel. Meiner also auch, jedenfalls hat es in ihrer Familie nie einen Skandal gegeben. Doch indem du mich ange-schwärzt hast, hast du auch ihren Namen in den Schmutz gezogen.«
War das, was sich auf Drews Wangen zeigte, nun endlich ein schamhaftes Erröten? Offenbar nicht, denn alles, was er sagte, war: »Dann hätte sie keinen Piraten heiraten sollen.«
Es war sein letzter Strohhalm. Gabrielle stand auf, beugte sich über den Tisch und schrie ihn an: »Sie wusste es nicht, du verdammter Idiot! Er hat sich große Mühe gegeben, es vor ihr zu verbergen. Das habe ich dir bereits gesagt! Er hat alles getan, damit niemand in England etwas davon erfuhr, und willst du wissen, warum? Um sicherzugehen, dass ihr guter Name keinen Schaden nahm! Aber du hast ohne auch nur einen Augenblick zu
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