Malory
Arm um ihn legte, um ihn ebenfalls an sich zu drücken. Sie war zu Hause, endlich richtig zu Hause.
Gabrielle fand das Leben auf St. Kitts großartig. Jeden Morgen, wenn sie aufwachte, lag ein Tag voller Sonne und Abenteuer vor ihr. Nachdem sie auf Drängen ihres Vaters schwimmen gelernt hatte, badete sie fast täglich im warmen, blauen Meer. Und mit dem Pferd, das er ihr gekauft hatte, ritt sie am Strand entlang, manchmal kehrte sie erst in der Abenddämmerung nach Hause zurück, weil sie sich von den überwältigenden Sonnenuntergängen nicht losreißen konnte.
Sie liebte dieses Leben, auch wenn die Hitze gelegentlich drückend werden konnte. Doch alles war neu für sie und, jung wie sie war, fand sie es samt und sonders faszinierend. Das Essen war anders, das Klima gar nicht zu vergleichen, die Einhei-mischen waren bunt gekleidet und freundlich und die Vergnü-
gungen, selbst das Tanzen auf den Straßen, wären daheim in England unvorstellbar gewesen.
Sie entdeckte sogar, dass ihr das Segeln auf dem Schiff Spaß machte, und sammelte darin schnell Erfahrung, weil sie ihren Vater oft begleitete, wenn er den Hinweisen auf einer seiner zahlreichen Schatzkarten folgte. Mit der Zeit verstand sie, warum er das Leben gewählt hatte, das er führte. In einer einzigen Woche konnte Nathan mühelos mehr Spaß und Aufregung haben als manche Männer in ihrem ganzen Leben! Gabrielle hieß sein Piratenleben zwar immer noch nicht gut, doch sie begann, es in einem anderen Licht zu sehen, insbesondere nachdem sie erfahren hatte, dass einige der Geiseln, die Nathan ausgelöst hatte, ohne sein Eingreifen ihre Familien wohl nie wiedergesehen hätten – er spielte sozusagen den Mit-telsmann. Und er kaperte auch selbst keine Schiffe mehr. Er verbrachte die meiste Zeit damit, Schätze zu suchen.
Sie war sogar einmal dabei, als er tatsächlich die auf einer seiner Karten eingezeichneten Orientierungspunkte fand und endlich das leuchtend rote Kreuz lokalisieren konnte, das anzeigte, wo der Schatz vergraben lag. Es war unglaublich aufregend, ihrem Vater und seinen Männern dabei zuzuschauen, wie sie an der bezeichneten Stelle auf der kleinen Insel gruben und nach einiger Zeit auf eine große Kiste stießen. Allerdings war Gabrielle ziemlich enttäuscht, als diese sich beim Öffnen als leer entpuppte.
Das war jedoch zu erwarten gewesen. Die Karten, die Nathan im Laufe der Jahre gesammelt hatte, waren schließlich durch viele Hände gegangen, bevor sie in seinen Besitz gelang-ten. Die meisten seiner Karten waren sehr schwer zu lesen, weil jeder Schatzbesitzer, der eine Karte zeichnete, möglichst wenige Orientierungspunkte eintrug. Gerade genug, um selbst den Weg zurück zu seiner Beute zu finden. Manche seiner Karten waren sogar zerrissen worden, was es nahezu un-möglich machte, sie zu enträtseln. Einzelne Teile waren auch an unterschiedlichen Orten versteckt oder an mehrere Famili-enmitglieder verteilt worden oder hatten über die Jahre ihre Bedeutung verloren, sodass manche Leute nicht einmal wussten, was sie da besaßen. Ihr Vater hatte zwei Karten, denen noch Teile fehlten.
Margery hatte das Schiff zurück nach England, das sie in den ersten Tagen auf St. Kitts kaum erwarten konnte, nie genommen. Obwohl ihr die Hitze auf den Inseln nicht bekam, war sie geblieben, weil sie Gabrielle unter all den »Seeräubern« nicht allein lassen wollte. Manche dieser Seeräuber lernte sie mit der Zeit jedoch recht gut kennen, zumindest die Männer aus Nathans Crew. Bei Gabrielle war es ähnlich, mittlerweile betrachtete sie einige von ihnen sogar als liebe Freunde. Erstaunlicherweise waren die meisten von Nathans Männern genau besehen recht anständig und ehrenwert, obwohl vielleicht ein wenig zu freizügig und zu abenteuerlustig, um in die normale Gesellschaft zu passen.
Nathan schaffte es, Gabrielle vor unangenehmen Zeitgenossen wie Pierre Lacross zu schützen, obwohl sie die Furcht vor diesem Mann nie verlor, nicht einmal nachdem sie erfahren hatte, dass er sich mit einer Piratin namens Red zusam-mengetan hatte. Und sie begegnete ihm auch noch einmal, auf hoher See, als sie und ihr Vater auf Schatzsuche waren. Damals hatte sie herausgefunden, dass Pierre seine Geiseln getötet hät-te, wenn Nathan sie ihm nicht abgenommen hätte. Doch bevor Pierre davon gesegelt war, war es ihm gelungen, Gabrielle kurz nahe zu kommen und ihr außer Hörweite ihres Vaters zuzuflüstern: »Glaub’ nicht, dass ich dich vergessen habe, Kätzchen. Unsere Zeit
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