Malory
war, Drew einsperren zu lassen.
Erst würde sie mit ihm diskutieren, sich mit ihm streiten, ihn bestechen, ihn umschmeicheln, ihm sogar, falls nötig, wieder den Inhalt seines Schreibtisches an den Kopf werfen. Sie brauchte nur wenigstens einen Plan für den Fall, dass alles andere schiefging.
Doch dann schlenderte Richard auf sie zu und sagte:
»Schade, dass wir gerade jetzt gehen mussten. Ich war dabei, beim Whist gegen Bixley zu verlieren. Hätte noch ein paar Stunden gebraucht, um wenigstens die Verluste wieder wettzumachen.«
Gabrielle war so aufgeregt, ihn ohne Bewachung vor sich zu sehen, dass sie nicht gleich begriff, was er gesagt hatte.
Doch sobald sie ihn erleichtert umarmt hatte, ging ihr auf, dass er sich offenbar darüber beschwerte, freigelassen worden zu sein, und zwar ganz im Ernst.
»Ihr habt Karten bekommen, damit ihr euch die Zeit vertreiben konntet?«, fragte sie.
Richard kicherte. »Wir hatten jeden Luxus, den man sich nur wünschen kann, chérie. Karten, Würfel, das verdammt beste Essen, das ich je bekommen habe – noch dazu warm, direkt aus der Kombüse. Nathan muss unbedingt Andersons Koch kennenlernen. Außerdem hatten wir Hängematten und
– du wirst es nicht glauben – sogar eine Badegelegenheit.«
»Wie habt ihr denn das gemacht?«
»Tja, da unten gab es eine alte Wanne. Ohr hat nach Wasser zum Baden gefragt. Eigentlich hat er nicht damit gerechnet, es zu bekommen, aber ich will verdammt sein, wenn nicht ein Eimer nach dem anderen zu uns heruntergelassen worden ist.«
Die Erinnerung brachte Richard zum Lachen. »Wir haben Strohhalme gezogen, um die Reihenfolge festzulegen, in der wir die Wanne benutzen durften. Ich habe es gar nicht so schlecht getroffen, ich war Zweiter.«
Sie hatte sich mit Sorgen geplagt und ihre Männer hatten sich ein schönes Leben gemacht? Das hörte sich ja an wie der reinste Urlaub! Drew hätte sie aufklären müssen, dieser verflixte Kerl. Ihr Freund allerdings ebenso.
Gabrielle schlug Richard gegen die Schulter. »Warum hast du mir das nicht gesagt, als man dich zum Abendessen herausgelassen hat?«
Er zuckte die Achseln. »Ich dachte, du wüsstest es. Diese Amerikaner haben uns nicht wie Gefangene behandelt, na ja, abgesehen von dem Schloss an der Tür, das Ohr übrigens unbedingt aufbrechen wollte, bis ich ihm versichern konnte, dass du mit den veränderten Gegebenheiten gut zurechtkommst.«
Tatsächlich hatte es bei dem Essen, an dem Richard teilge-nommen hatte, nach außen so gewirkt, als ginge es ihr gut; sie hatte ihm in jener Nacht auch nichts anderes erzählt. Gut war auch, dass ihre Freunde nicht versucht hatten, sich zu befreien, denn es sah so aus, als würden sie am Ende doch nicht ins Ge-fängnis gesteckt.
»Wo ist Ohr?«
»Direkt hinter dir«, sagte Ohr in ihrem Rücken.
Mit einem frohen Aufschrei drehte Gabrielle sich um und warf ihm die Arme um den Hals. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Gleichzeitig hatte ich Angst, nach euch zu fragen.
Ich wollte Drews Aufmerksamkeit nicht auf euch lenken.«
Richard grinste sie an. »Ich schätze, er hat öfter an uns gedacht, Gabby. Er hat uns sogar eines Tages an Deck bringen lassen, weil er herausfinden wollte, wer ihn damals in der Nacht verletzt hat.«
Als Gabrielle das hörte, erstarrte sie. »Wirklich? Und was ist dabei herausgekommen?«
»Nichts«, erwiderte Richard. »Habe ihm gesagt, ich hätte geschworen, nichts zu verraten.«
»Ich denke, es sollte mich nicht wundern, dass du es warst«, gestand Gabrielle, die daran dachte, wie neugierig sie selbst gewesen war. »Ich habe auch überlegt, wer es gewesen sein könnte.«
»Hat er dich anständig behandelt?«, fragte Ohr mit ernstem Gesicht. Gabrielle zweifelte keine Sekunde, dass er Drew an die Kehle gehen würde, falls sie ihm die falsche Antwort gab, und zwar nicht erst, wenn er ihn zu Gesicht bekam, sondern auf der Stelle.
Daher sagte sie: »Sicher. Wir haben schließlich herausgefunden, dass er das, was in England passiert ist, nicht absichtlich getan hat. Er hat mir sogar einen Heiratsantrag gemacht.«
Das hätte sie besser nicht sagen sollen, denn nun starrten beide Männer sie an und warteten darauf, dass sie ihnen sagte, welche Antwort sie Drew gegeben hatte. Und da Gabrielle immer noch im Ungewissen war, was eigentlich bei dem un-vorhergesehenen Vorschlag des Kapitäns herausgekommen war, sollte sie ihnen wohl einfach sagen, dass sie abgelehnt hatte. Andererseits, falls Drew am Ende einem von ihnen erzähl-te,
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