Malory
zu haben war, aus welchen Gründen auch immer, und sich einfach glücklich schätzen. Schließlich war er ein guter Fang und sehr attraktiv, wenn auch ziemlich bleich. Nun, eigentlich war seine Haut sogar so weiß, dass es ihr geradezu gespenstisch schien.
Gabrielle seufzte innerlich. Das dachte sie nicht zum ersten Mal, seit sie in London angekommen war. Abgesehen von allem anderen, was ihr an den ihr vorgestellten Männern nicht gefiel, wirkten viel zu viele auch noch blass – und das am Ende des Sommers! Allerdings konnten sie nichts dafür, dass sie Gabrielle so seltsam vorkamen, und wie Margery bereits ange-merkt hatte, war dem mit ein wenig Sonne ja auch leicht abzu-helfen. Sie war einfach zu sehr an Männer gewöhnt, die braun gebrannt waren, weil sie die meiste Zeit im Freien verbrach-ten. Doch nicht alle Menschen hielten sich so gern im Freien auf wie sie. Und nicht jeder konnte so schön gebräunt sein wie ein Schiffskapitän ...
In dem Moment, in dem Drew den Raum betrat, wurden ihre Augen von ihm angezogen. Großer Gott, selbst nachdem sie ihn von ihrer Liste gestrichen hatte, auf die sie ihn gar nicht erst hätte setzen sollen, war sie allein von seinem Anblick wie gebannt. Und die Schmetterlinge im Bauch regten schon wieder die Flügel! Was zum Teufel hatte er bloß an sich? Wollte sie ihn wirklich aufgeben – nur wegen seiner falschen Annahmen? Wo doch ein kurzes Gespräch zwischen ihnen die Luft reinigen und ihm beweisen konnte, dass er im Unrecht war?
Wie konnte sie ihm überhaupt vorwerfen, dass er die falschen Schlüsse gezogen hatte? Ihr Vater war tatsächlich Pirat.
Und im Umgang mit Piraten hatte sie Dinge erfahren, die einer jungen Dame aus gutem Hause erst nach der Hochzeit aufgingen. Daher täuschte Drew sich einzig und allein bezüglich ihrer Jungfräulichkeit. Ein logischer Fehler.
Ach, du meine Güte, sie überredete sich tatsächlich selbst dazu, ihn wieder auf ihre Liste zu setzen. Durfte sie es wagen?
Sie wollte lieber nicht noch einmal von ihm enttäuscht werden. Es hatte zu wehgetan. Doch was war, wenn er ihre Ge-fühle nicht mehr verletzte? Was, wenn er sich entschuldigte und zugab, dass es dumm gewesen war, das Schlimmste von ihr anzunehmen?
Der Tanz war zu Ende und Wilbur führte sie zu Georgina zurück. »Irgendwie gönnt man mir nie genügend Zeit mit Ihnen«, sagte er mit einem charmanten Augenzwinkern. »Ich hoffe, Sie spazieren später ein wenig mit mir durch den Garten, damit wir unsere Unterhaltung fortsetzen können?«
Abgelenkt, weil sie nur noch Augen für Drew hatte, nickte Gabrielle bloß. Nachdem er seine Schwester in der Menge entdeckt hatte, strebte Drew ebenfalls auf Georgina zu. Gabrielle glaubte nicht, dass sie selbst ihm bereits aufgefallen war, doch dann trafen sich ihre Augen, und er stieß mit einigen Leuten zusammen, die ihm im Weg standen.
Als Gabrielle das sah, runzelte sie die Stirn. Ein Schiffskapitän, der stolperte? Manchmal waren Seeleute ein wenig unsicher auf den Beinen, wenn sie nach einer langen Fahrt zum ersten Mal wieder Land betraten, doch normalerweise hatten sie einen ausgeprägten Gleichgewichtssinn. Schließlich bewegten sie sich ständig auf schwankenden Decks.
Während sie sich Georgina näherte, bemerkte Gabrielle dass ihre Wohltäterin sich mit Lady Dunstan, der Gastgeberin, unterhielt, die, wie Georgina ihr vor der Ankunft noch einmal eingeschärft hatte, zu den schlimmsten Klatschwei-bern der Gesellschaft zählte. Die Anwesenheit dieser Dame lenkte Gabrielles Gedanken von Drew ab. Sie würde jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen, damit sie nichts Falsches sagte. Laut Georgina konnte eine Frau wie Lady Dunstan einer Debütantin sozusagen im Vorübergehen zu gesell-schaftlichem Erfolg verhelfen oder sie unmöglich machen.
»Ah, da kommt sie ja«, sagte Lady Dunstan mit einem Lä-
cheln für Gabrielle und einem leichten Stirnrunzeln für ihre Begleitung. »Und Sie, lieber Junge, müssen wirklich aufhören Miss Brooks mit Beschlag zu belegen – oder können Sie mit der Neuigkeit von einer bevorstehenden Heirat aufwarten damit Ihr Vater endlich zufrieden ist?«
Gabrielle zuckte aus Mitleid mit Wilbur zusammen. Das was er ihr so ehrlich gestanden hatte, war also kein großes Geheimnis. Offenbar waren alle im Bilde. Trotzdem, ihre Gastgeberin nagelte ihn einfach fest. Noch nie hatte Gabrielle derart offenkundige Neugier erlebt. Was immer Wilbur auch antwortete, die Lady würde ein saftiges Stück Klatsch serviert
Weitere Kostenlose Bücher