Malory
Skandal, von dem du gesprochen hast? Der Mann hat deine Aussichten auf eine gute Partie in diesem Land zunichte gemacht?«
»So ist es. Und danach wollte er fortsegeln, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.«
»Aber warum?«, rief Richard.
»Weil er Piraten hasst und weil er sich in den Kopf gesetzt hat, dass ich ebenfalls dazugehöre. Er hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, mich zu fragen, er hat es schlicht vorausge-setzt und mich deshalb in einen Skandal verwickelt. Daher wird es mir eine Freude sein, ihn auf seinem eigenen Schiff im Kreise von Piraten zu begrüßen!«
»Es ist dir aber klar, dass das seine Meinung nur bestärken wird ...«
»Genau«, unterbrach Gabrielle. »Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er sich wünschen, er hätte sich geirrt, aber die Wahrheit, dass er tatsächlich Unrecht hatte, wird er nie erfahren.«
Gabrielle fuhr zurück zu den Malorys, verbrachte den rest-lichen Tag jedoch in ihrem Zimmer. Falls sie Drew zu Gesicht bekam, ehe sie sein Schiff kaperte, kratzte sie ihm sicher die Augen aus, dann würde keiner von ihnen in See stechen. Daher war es besser, sich im Zimmer versteckt zu halten.
Margery war entsetzt, als Gabrielle ihr erzählte, was geschehen war. »Mach dir keine Sorgen um deinen Papa. Die Männer, die er zu unserer Begleitung ausgewählt hat, sind gut.
Sie werden ihn aus diesem Schlamassel herausholen.«
»Ja, ich weiß. Und wir haben auf der Fahrt in die Karibik reichlich Zeit, uns zu überlegen, was genau wir tun wollen.«
»Ich helfe auch mit, wenn nötig«, versicherte Margery ihr.
»Es ist allerdings eine Schande, dass du dadurch den Rest der Saison verpassen wirst. Es lief gerade so gut.«
»Na ja ... ich hatte gestern Nacht keine Gelegenheit, es dir zu sagen, aber Drew Anderson hat bereits dafür gesorgt, dass ich den Rest der Saison verpasse – und jede weitere Saison ebenfalls. Er ist gestern Abend ziemlich bezecht auf dem Ball erschienen und hat vor Wilbur und Lady Dunstan offenbart, dass Nathan Pirat ist.«
»Aber warum denn nur!?« stöhnte Margery.
»Ich nehme an, betrunken wie er war, hat er geglaubt, er müsse Unschuldige vor blutrünstigen Verbrechern bewahren, aber wer weiß. Jedenfalls hat Wilbur diese Neuigkeit heute Morgen überall verbreitet. Nachdem er kurz davor stand, mir einen Antrag zu machen, ist er nach Drews Enthüllung wahrscheinlich schwer enttäuscht, dass ich nicht länger seinen Anforderungen entspreche.«
»Großer Gott, sie haben dich ruiniert!«, stöhnte Margery.
»Oh ja, ich bin vollkommen ruiniert – dank Drew«, sagte Gabrielle mit rauer Stimme.
Sie fühlte, dass ihr die Tränen kamen, daher wandte sie sich ab, damit Margery nichts merkte. Lieber wollte sie wütend sein. Wut war im Moment ihre einzige Rettung. Doch Margery kannte sie nur zu gut. Sie brauchte die Tränen nicht zu sehen, um zu wissen, dass Gabrielle weinte.
Die alte Freundin legte Gabrielle einen Arm um die Taille und sagte: »Mach dir nichts draus, Mädchen. Wir finden woanders einen Mann für dich.«
Früh am Abend schlich Gabrielle mit Margery aus dem Haus. Sie hatte Georgina eine Nachricht hinterlassen, in der sie erklärte, dass ihr Vater in Schwierigkeiten stecke und sie ihm zur Hilfe kommen wolle. Vielleicht würde ihre Gastgeberin das nicht glauben, wenn sie von dem Skandal erfuhr, doch dann waren sie ohnehin schon fort. Es gab nur einen schwieri-gen Moment, als sie die Hintertreppe hinunterschlichen und Miss Carla aufkreischte, um sie wissen zu lassen, dass sie unter der Abdeckung über ihrem Käfig putzmunter war, doch niemand kam nachsehen.
Sie hatten nur so viel Kleidung mitgenommen, wie sie in Reisetaschen selbst tragen konnten. In ihrer Nachricht hatte Gabrielle Georgina gebeten, ihren Anwalt zu kontaktieren, damit er ihnen den Rest ihrer Habe nach St. Kitts schickte.
Unten auf der Straße wartete Ohr, um sie mit einer Kutsche in den Hafen zu bringen. Zuvor hatte er unter falschem Namen zwei Kabinen für die Überfahrt gebucht, eine sollte Gabrielle sich mit Margery teilen, die andere war für die drei männlichen »Bediensteten« gedacht, die sie begleiteten. Dadurch dass ihre Freunde ebenfalls eine Kabine bezogen, mussten in der Nacht drei Männer weniger über die Reling klettern, um sich im Laderaum zu verstecken.
Der Plan, dem sie folgten, war kühn. Wenn Gabrielle nicht so wütend auf Drew gewesen wäre, hätte sie wohl ihre Meinung geändert und alle enttäuscht. Sie wünschte bloß, sie wä-
re nicht so
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