Malory
besprechen. Doch dieser Beschluss war gefasst worden, ehe sie sich überlegt hatten, den echten Kapitän dort zu lassen.
Es herrschte kein Mangel an Kabinen. Drew konnte auch in die gebracht werden, die Gabrielle gerade freimachte. Bei Drews Größe mochte das allerdings etwas schwierig werden.
Falls er sich entschloss, seiner Wut freien Lauf zu lassen, sobald man ihn auf die Füße stellte, würde sicher jemand zu Schaden kommen – und nicht unbedingt er. Gabrielle wollte aber nicht, dass jemand verletzt würde.
Der beste Weg, weitere Handgemenge zu vermeiden, bestand darin, den Kapitän einfach in seinem Quartier festzuhalten. Gabrielle konnte ihre Taschen ohne weiteres zurück in die alte Kabine bringen lassen. Andererseits, warum sollte sie lange Wege in Kauf nehmen, um ihre Rache haben zu können? Es würde viel leichter werden, wenn sie ihn nah bei sich hatte.
Daher sagte Gabrielle zu Ohr: »Ich denke, wir sollten den Kapitän erst einmal lassen, wo er ist.«
Ohr schien nicht weiter überrascht, Gabrielle glaubte allerdings nicht, ihn jemals überrascht gesehen zu haben. »Bist du sicher?«, war alles, was er sagte.
»Ja. Ich weiß, dass du nur Spaß gemacht hast, aber es ist genau, wie du dachtest. Ich werde diesen Mann für das, was er mir angetan hat, bezahlen lassen, und dazu gehört, dass ich ihn dort gefangen halte, wo er im Moment am allerwenigsten sein möchte: in meiner Kajüte, sodass er keinen Zweifel daran haben kann, dass er mir ausgeliefert ist.«
Richard wäre neugierig auf weitere Einzelheiten gewesen, doch Ohr war anders. Er nickte nur und ging zum Steuer, während Gabrielle in die Kabine zurückkehrte.
Sie musste ihre Gesichtszüge unter Kontrolle bekommen, ehe sie sich dem blonden Riesen näherte und sich vor ihm aufbaute. Sie wollte, dass er sie begehrte. Das war ihre Rache.
Doch das würde nicht klappen, wenn er bemerkte, wie sehr sie ihn jetzt verabscheute. Er musste glauben, es mache ihr nichts aus, dass er ihren Ruf ruiniert hatte. Vielleicht war an dieser Stelle ein wenig Ehrlichkeit angebracht, um ihn zu überraschen und zu verunsichern. Vielleicht sollte sie ihm sagen, dass sie mehr als einen Grund hatte, sein Schiff zu kapern. Es war wohl auch besser, ihn etwas zu beruhigen, indem sie ihm versicherte, dass die Triton nur geliehen war und er sie bald zu-rückbekommen würde – zumindest hoffte sie das. Immerhin besaß er ein dreimastiges Handelsschiff, das die Uberfahrt in kürzester Zeit schaffen sollte.
Drew musste nicht sehr hoch aufschauen, um Gabrielle in die Augen zu sehen. Selbst im Sitzen war seine außergewöhnliche Größe imponierend. Und er durchbohrte sie immer noch mit Blicken, die sehr beunruhigend wirkten.
»Falls ich Ihnen das Ding aus dem Mund nehme, werden Sie dann vernünftig sein?«, fragte Gabrielle.
Drew gab keinen Laut von sich und regte sich nicht, starrte sie bloß weiterhin finster an. Gabrielle beschloss, freundlich zu bleiben und sagte: »Ein Nicken würde ausreichen.«
Er rührte sich nicht. Er war wohl immer noch zu zornig, um mitzuarbeiten. Und der Blick, mit dem er sie musterte, machte sie leider nervöser, als sie angenommen hatte, daher drehte sie ihm den Rücken zu.
Sie holte tief Luft und sagte: »Wir werden Ihr Schiff nicht behalten. Ich habe die Nachricht bekommen, dass mein Vater auf einer Insel zwei Tage östlich von St. Kitts als Geisel festgehalten wird. Dass man ihn in einen Kerker gesteckt hat, ist für mich kaum zu ertragen. Ich will ihn da heraushaben. Ich wusste, dass Ihr Schiff bereit war, die Segel zu setzen. Meiner Meinung nach eignet es sich vorzüglich, um uns so schnell wie möglich in die Karibik zurückzubringen. Wir weichen nicht einmal allzu weit von Ihrem Kurs ab, bei gutem Wind holen Sie das leicht wieder auf.« Gabrielle drehte sich erneut zu Drew um und fragte noch einmal: »Werden Sie also vernünftig sein?«
Immer noch kam kein Nicken von ihm und auch sein Gesichtsausdruck hatte sich kein bisschen geändert. Dieser verflixte Kerl mit seinem beklemmenden Blick machte ihr Angst.
Du meine Güte, was sollte sie ihm noch versprechen? Doch als sie sich einen Augenblick lang in seine Lage versetzte, erkannte sie, dass sie nichts sagen konnte, was ihr Handeln in seinen Augen rechtfertigte. Sie hatten ihm sein Schiff und die Befehlsgewalt genommen. Dass es nur vorübergehend war, machte für ihn keinen Unterschied, falls er ihr überhaupt ab-kaufte, dass es nur vorübergehend war. Vielleicht glaubte er ihr gar
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