Malory
Die Stadt für drei oder vier Tage zu verlassen, könnte eine Verzögerung. . . «
»Hast du mir nicht erzählt, daß Regina versprochen hat, deine Herren ebenfalls einzuladen?«
»Das bedeutet noch lange nicht, daß sie sich auch tatsächlich einfinden, Frances. Die Saison hat kaum begonnen. Das ist eine denkbar ungeeignete Zeit für eine Wo-chenendparty auf dem Lande.«
»Silverley liegt in Hampshire und nicht am Ende der Welt. Außerdem hast du doch auch erwähnt, daß sie versprochen hat, ihren Mann über deine Heiratskandidaten auszufragen und dir alles brühwarm zu berichten, sobald du dort bist. Du müßtest doch eigentlich schon allein aus diesem Grund hinfahren wollen.«
Was
konnte
sie
dieser
Logik
entgegensetzen?
»Wer
sagt mir, daß er überhaupt etwas Interessantes über die Herren zu berichten weiß? Es könnte sich als reine Zeit-verschwendung herausstellen.«
»Dann kannst du sofort umkehren und noch am selben Abend wieder in London sein.«
»Und
dich
dort
allein
lassen?«
protestierte
Roslynn.
»Und wie willst du dann zurückkommen?«
Frances schüttelte wieder den Kopf. »Ich geb's auf! Du hast
offensichtlich
keine
Lust
hinzufahren,
also
lassen
wir es eben. Wir haben für dieses Wochenende ein halbes Dutzend anderer Einladungen und können...«
»Leg mir bitte nichts in den Mund. Ich habe noch nicht
›nein‹ gesagt.«
»Nun?«
Roslynn ging weiter und rief über die Schulter hinweg:
»Ich muß noch darüber nachdenken.«
Hätte sie diese Party doch nur nicht wieder aufs Tapet gebracht! Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie intensiv Netties Gehirn jetzt arbeitete. Nettie kannte sie eben viel zu gut. Sie würde mit Sicherheit neugierige Fragen stellen. Was sollte sie ihr nur sagen? Frances hatte ja soeben klargestellt, daß es keine überzeugenden Gründe für ei-ne Absage gab.
Eine solche Absage wäre sogar denkbar unvernünftig.
Frances hatte völlig recht - allein schon wegen der Information, die Regina für sie einholen wollte, würde sich die Fahrt nach Silverley lohnen. Und außerdem - wenn sie nun absagte, aber ihre vier ›Anwärter‹ der Einladung folgten? Dann würde sie in London herumsitzen und keinerlei Fortschritte erzielen können, und das wäre eine Zeitvergeudung.
Aber andererseits - und es war ein großes Aber! - bestand die Möglichkeit, daß Anthony Malory in Silverley aufkreuzen würde, und Roslynn wollte nicht riskieren, ihn wiederzusehen. Sie durfte ihn nicht wiedersehen. Er übte
auf
sie
eine
geradezu
magische
Anziehungskraft
aus, und sie mußte sich schleunigst jeden Gedanken an ihn aus dem Kopf schlagen.
Sie hätte Lady Eden frei heraus fragen sollen, ob der ei-ne Malory, um den sie einen weiten Bogen machen wollte, dort sein würde. Statt dessen hatte sie, um sich nicht bloßzustellen, nur ganz allgemein gefragt, ob irgendwelche Malorys kommen würden, und Regina hatte unbe-stimmt geantwortet: »Ich weiß nie, ob einer oder mehrere von ihnen auftauchen. Sie wissen alle, daß sie jederzeit willkommen sind.«
Und Roslynn war genauso schlau wie vorher gewesen!
Sie wußte, daß es im Grunde nichts zu überlegen gab. Sie mußte eine weitere Begegnung mit Anthony Malory um alles in der Welt vermeiden, selbst wenn sie dadurch Zeit verlieren würde.
»Da wären wir!« riß Frances sie aus ihren trüben Gedanken.
»Ros.
Dickens
and
Smith,
mein
letzter
Pro-
grammpunkt für heute. Aber ich muß schon sagen - mit dir einkaufen zu gehen, macht überhaupt keinen Spaß!
Du könntest doch wenigstens in den Laden mitkommen, wenn du schon selbst nichts kaufen willst.«
Roslynn rang sich trotz ihrer deprimierten Stimmung ein Lächeln ab, um Frances zu versöhnen. »Das täte ich auch, wenn du nicht einen so heißen Tag ausgesucht hättest, um mich herumzuschleppen. Ich war schon nach der
Parfümerie
und
dem
Strumpfladen
total
erledigt.
Wie du auch noch das Haubengeschäft und die Seiden-händler durchstehen konntest, ist mir schleierhaft. Aber vermutlich bist du daran gewöhnt, während du nicht vergessen darfst, daß bei uns in Schottland ein kälteres Klima herrscht. In diesen Geschäften ist es so wahnsinnig stickig. Hier draußen ist wenigstens ein schwacher Luftzug zu spüren. Also, rein mit dir. Ich warte mit Nettie wieder draußen.«
Sobald sich die Tür zum Tuchladen hinter Frances und Anne
geschloßen
hatte,
konnte
Nettie
erwartungsgemäß
ihre Neugier nicht länger bezähmen. »So, Mädchen, und jetzt wirst du
Weitere Kostenlose Bücher