Malory
die Bedürftigen ansehen.
Kein
vernünftiger
Mensch
nimmt
irgendwelche
Wertsachen mit, wenn er nachts unterwegs ist. Wir leeren einfach unsere Taschen, die Räuber sind zufrieden, und
wir
können
weiterfahren.
Niemandem
wird
auch
nur ein Haar gekrümmt. In wenigen Minuten werden wir alles hinter uns haben.«
Sie war empört. »Einfach so? Und wenn ich nun nicht beraubt werden will?«
Er seufzte. »Erlebst du so etwas zum erstenmal?«
»Selbstverständlich! Und ich verstehe nicht, wie du hier seelenruhig herumsitzen kannst, ohne etwas zu tun.«
»Was sollte ich denn deiner Meinung nach tun, wenn ich nicht einmal eine Waffe bei mir habe?«
»Ich habe eine.«
Er packte sie am Handgelenk, als sie den im Schuh ver-steckten Dolch hervorholen wollte. »Vergiß es!«
»Aber...«
»Nein!«
Sie warf ihm einen beleidigten Blick zu. »Na dann prost! Wenn ein Mann seine Frau nicht einmal vor Räubern beschützen will...«
»Stell dich nicht so an, Roslynn«, erwiderte er ungeduldig. »Es sind doch nur ein paar Pfund und wertlose Kleinigkeiten.«
»Und ein Vermögen an Schmuck in meinem Handkoffer!«
Er blickte von ihr zu dem Koffer auf dem Sitz gegen-
über, demselben verdammten Koffer, den sie am letzten Abend so sorglos in der Mietkutsche zurückgelassen hatte. »Verdammt! Du bringst es natürlich fertig, mit einem Vermögen durch die Gegend zu fahren! Also gut.«
Ein sicheres Versteck gab es in der Kutsche nicht, wie er rasch feststellte. Mit schiefgelegtem Kopf betrachtete er Roslynn. »Streif dein Cape ab... Ja, so.« Der Aus-schnitt ihres Kleides enthüllte ihren Brustansatz, aber gemessen an der neuesten Mode war es kein besonders tiefes Dekollete. »Zieh dein Kleid ein bißchen nach unten.«
»Anthony!«
»Entrüstete Sittsamkeit ist im Augenblick gänzlich fehl am
Platz«,
erklärte
Anthony
ungeduldig,
während
er
sich ihr gegenüber hinsetzte. »Du sollst als Ablenkung dienen.«
»Ach so, in diesem Fall...«
»Das ist jetzt aber wirklich tief genug, meine Liebe.« Er runzelte die Stirn. »Dir mag es egal sein, wieviel Frauen mich nackt sehen, aber ich bin nicht ganz so großzügig, wenn es um andere Männer und deine körperlichen Reize geht.«
»Ich habe doch nur versucht zu helfen«, entgegnete Roslynn gereizt. Warum mußte er sie nur wieder an den Handel erinnern, auf dem sie törichterweise bestanden hatte?
»Sehr lobenswert, aber wir wollen nur, daß der Kerl dich anglotzt. Ihm soll nicht gleich die Hose platzen.«
»Die Hose platzen? Wovon redest du eigentlich?«
Er lächelte endlich. »Ich werde es dir bei Gelegenheit mit Freuden demonstrieren.«
Diesen Augenblick wählte der Straßenräuber, um die Tür
aufzureißen
und
seinen
Kopf
hindurchzustecken.
Roslynn
zuckte
unwillkürlich
zusammen.
Über
einen
Raubüberfall zu sprechen, war eine Sache, selbst wenn er unmittelbar
bevorstand,
aber
den
Banditen
tatsächlich
vor sich zu haben, war etwas ganz anderes.
Die Kutsche war so hoch, daß nur der Oberkörper des Mannes in der Tür zu sehen war, aber er hatte einen mächtigen
Brustkorb
und
sehr
breite
muskelstrotzende
Schultern in einer viel zu engen Jacke. Sein schütteres Haar auf dem breiten Schädel war dunkel, und der untere Teil des Gesichts war unter einem schmutzigen Tuch versteckt. In seinen Wurstfingern hielt er eine alte rostige Pistole, die direkt auf Anthony gerichtet war.
Roslynn konnte ihren Blick nicht von der Waffe wenden. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. So hatte sie es sich nicht vorgestellt... Nun ja, eigentlich hatte sie sich überhaupt nichts vorgestellt. Woher hätte sie, die noch nie
Bekanntschaft
mit
Straßenräubern
gemacht
hatte,
auch
wissen
sollen,
wie
gefährlich
sie
sein
konnten?
Aber sie hatte Anthony gedrängt, etwas zu tun, und folglich wäre es ihre Schuld, wenn er erschossen würde.
Und wofür? Für dummen Schmuck, der zu ersetzen war.
Sie
überlegte
gerade,
wie
sie
Anthony
signalisieren
könnte, daß er auf keinen Fall sein Leben aufs Spiel setzen dürfe, als der Räuber das Wort ergriff, »'n Abend, Mylord«,
sagte
er
liebenswürdig.
Das
Tuch
vor
dem
Mund dämpfte seine Stimme. »War gescheit von Ihnen, ruhig sitzenzubleiben und auf mich zu warten, wirklich gescheit.
Ich
hab
so'n bißchen
Probleme
mit
meinem
Gaul gehabt, nachdem ich losgeballert hab', um Ihrem Kutscher klarzumachen, was hier los ist. Will Sie ja nur so'n bißchen erleichtern, Sie oder Ihre... Potz
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