Maltas Geheimnis
beiden nichts bei ihrer Klettertour.
Eine Stunde später waren sie wieder einmal am Busbahnhof von Valletta. Sie gab Axel noch einen langen Kuss, ehe sie ihn und Jens in einem alten, klapprigen Bus verschwinden sah. Bedrückt stieg sie in einen anderen Bus und fuhr bis zur Pfarrkirche von Paola. Von dort aus musste sie noch fünf Minuten durch enge Gassen bis zu dem unscheinbaren Eingang der Höhlenanlage, der in einer noch unscheinbareren Nebenstraße lag. Groß stand auf einer weiß getünchten Wand »Hypogäum« mit einem Verweis auf die UNESCO. Eine kleine Gruppe älterer Personen stand schwatzend davor. Sie schienen auf Einlass zu warten und waren offensichtlich die ersten Besucher.
Sie wandte sich einer kleinen Luke zu, die sich in Kopfhöhe mitten in der Eingangstür befand. Hinter einem kleinen, geöffneten Fenster stand eine ältere, runzlige Frau. Leicht den Kopf beugend, fragte Alisha in Maltesisch, ob sie an der kommenden Führung teilnehmen könne und was sie als Studentin bezahlen müsse. Auch hier konnte sie eine Reaktion der Überraschung erleben. Als sie auf der Insel gelebt hatte, war das nie so gewesen. Fortwährend den Kopf schüttelnd, antwortete ihr die ältere Frau in der gleichen Sprache: »Man kann hier nicht so einfach herkommen und die Ausgrabungen besuchen, junge Dame. Es gibt hier nur gebuchte Führungen.«
»Und wozu sind Sie dann hier?«
»Nur um solche Fragen zu beantworten«, kam es grantig zurück und das kleine Fenster wurde mit einer heftigen Bewegung zugeworfen.
Enttäuscht drehte Alisha sich weg und wollte wieder zum Bus zurückgehen, als sie in reinstem maltesisch von einer jugendlich wirkenden, männlichen Stimme angesprochen wurde: »Da hat die alte Ralja dich aber kräftig abblitzen lassen, was?«
Erstaunt blickte sie sich um. Vor ihr stand ein schwarzhaariger, dunkeläugiger Mann. Sie schätzte, dass er so in ihrem Alter sein musste. Ein Lächeln umspielte seine breiten Lippen, die sehr in Kontrast zu seinem schlanken Gesicht standen. Er war nur ein wenig größer als sie selbst - und er kam ihr irgendwie bekannt vor. Sie wusste, dass sie ihn nicht kennen konnte und dass ihr derartiges schon einige Male in der Vergangenheit mit anderen Personen passiert war, und dass sie stets meilenweit daneben gelegen hatte.
»Ähh?«, brachte sie nur heraus und blickte schnell etwas zur Seite. Es kam immer wieder vor, dass sie nicht in der Lage war, vernünftig und entspannt zu antworten, vor allem, wenn sie eine Situation überraschte. Speziell das unerwartete Duzen verwirrte sie.
»Ich meine, dass du die Höhlen nicht besuchen kannst. Seit einiger Zeit können immer nur bis zu zehn Personen hinein. Mehr nicht. Früher durften Scharen von Besuchern durch die Anlage strömen und dadurch wurde sie stark in Mitleidenschaft gezogen. Durch die Luftfeuchtigkeit und die künstliche Helligkeit der Lampen bildeten sich Grünalgen an den Wänden und eine Menge Idioten ritzten ihre Namen und unflätige Sprüche in den Stein. Also wurden die Höhlen geschlossen und aufwendig restauriert. Heute haben wir sogar eine Klimaanlage dort unten und eben nur noch sehr begrenzte Besucherzahlen.«
»Schade! Dann hab´ ich wohl Pech gehabt«, sagte Alisha und wollte sich wieder abwenden – aber eigentlich auch wieder nicht.
»Ich heiße Raul und bin hier einer der Führer. Darf ich dir einen Vorschlag machen?«
Alisha nickte nur. Was kam denn jetzt?
»Meine letzte Führung beginnt heute um zwölf Uhr. Wenn du fünfzehn Minuten vorher wieder hier bist, dann nehme ich dich mit. Ich geb´ dich einfach als meine Assistentin aus und mit Ralja, das regle ich bis dahin schon. Einverstanden?«
Sie sah seine Augen blitzen und fühlte plötzlich einen Druck auf ihrer Blase.
»Mal sehen«, rief sie ihm kurz zu, drehte sich schnell um und ging flott den Weg zurück Richtung Bushaltestelle. Als sie sich umblickte, sah sie, wie er lachte und ihr zuwinkte. Verunsichert lief sie weiter.
Fast eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Zeitpunkt war Alisha wieder am Eingang des Hypogäums. Das Wetter hatte sich inzwischen hervorragend entwickelt. Mild schien die Sonne und die Strahlen wärmten sie durch und durch. Von weitem, hinter der nächsten Straßenecke verborgen, beobachtet sie, wie sich die Eingangstür. Bald musste sie sich öffnen und Raul würde auftauchen. Fast auf die Minute genau erschien er dann auch, eine kleinen Gruppe älterer Menschen im Schlepptau. Lächelnd und gestenreich verabschiedete er sie
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