Maltas Geheimnis
kleinen Plätze setzte sie sich völlig erschöpft auf eine Steinbank und dachte angestrengt nach Sie hatte keine Chance! Von der Insel sie nicht so einfach herunter. Weder mit dem Flugzeug noch mit einem Boot, schon gar nicht mit der Fähre. Anrufen konnte sie auch niemanden, da die Telefone bestimmt abgehört wurden. Außerdem würde es ohnehin zu lange dauern, bis nach einem solchen Anruf Hilfe käme. Die Vertretung ihres Heimatlandes dürfte ebenfalls eine Sperrzone sein, da bestimmt längst jemand davor postiert wurde, um sie abzufangen. »Wenn ich nur wüsste, um was es hier geht?«, murmelte sie leise. »Warum versucht mich hier irgendjemand festzuhalten? Ich hab´ doch gar nichts getan! Und wieso ist Julia auf freiem Fuß? Oder gehört sie in Wirklichkeit zu diesen verrückten Spinnern? Oder hat das alles vielleicht was mit der Höhle zu tun, die Axel und Jens entdeckt haben?« Halten sie die beiden dort vielleicht sogar gefangen?«
Panik stieg als saurer Geschmack in ihrer Kehle empor. Sie schluckte und versuchte die aufkeimende Unruhe zu unterdrücken. Sie musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren, sonst lief sie den Kerlen direkt in die Arme.
Aus einer inneren Eingebung heraus griff sie in ihre Hosentasche und holte einen zerknüllten Zettel hervor. Lange schaute sie ihn an, bevor sie einen Entschluss fasste »Wenn der mir nicht hilft, dann geb´ ich auf«, murmelte sie vor sich hin und machte sich wieder auf den Weg.
Einige Minuten später befand sie sich in einem neueren Viertel. Hier waren die Straßen erheblich breiter, so dass auch Autos und vor allem Motorroller an den Straßenrändern parken konnten. Drei Querstraßen weiter war sie am Ziel. Sie stellte sich wieder in eine Hausnische und beobachtete ein schräg gegenüber liegendes Mehrfamilienhaus. Nach fast einer Stunde geduldigen Wartens kam endlich die ersehnte Person – aber nicht aus dem Haus, sondern mit einem Motorroller angefahren.
Schnell, aber immer noch so unauffällig wie nur möglich, ging sie zu dem Mann, der mit Akribie seinen Roller an einem Fenstergitter ankettete.
»Hallo Raul!«, sprach sie ihn verkrampft lächelnd in seiner Muttersprache an. Sie war sich inzwischen ihrer Sache absolut nicht mehr sicher und jetzt, wo sie neben ihm stand, einen kleinen Rucksack auf dem Rücken und eine Geige unter ihrem Parka, fühlte sie sich sogar ausgesprochen blöd.
Er drehte sich mit einem Ruck zu ihr um und öffnete verdutzt den Mund, brachte aber nichts heraus. Es tat ihr gut zu sehen, dass Raul sich zu freuen schien, als er sie erkannte, denn ein Lächeln ging plötzlich über sein Gesicht. Sie sah dabei seine Zähne aufblitzen.
»Alisha!? Was machst du denn hier? Wie siehst du denn aus? Bist du plötzlich schwanger geworden - oder was?« Er wirkte verwirrt.
»Mein Gott«, sie tat erschrocken, »sieht man es mir tatsächlich so deutlich an?«
Trotz ihrer sarkastischen Bemerkung hatte sie das Gefühl, einen Kloß im Hals stecken zu haben.
»Dann komm schnell mit rein, Alisha, bevor das Baby kommt«, lachte Raul, stieß die angelehnte Haustür auf und zog sie am Arm in den schmuddeligen Hausflur.
Sie fühlte sich unwohl dabei, ließ es aber geschehen. Als sich hinter ihnen die Tür wieder schloss, hatte sie endlich die Kraft, etwas zu sagen »Das geht doch nicht, Deine Eltern, du weißt schon, verlobt und so. Was würden die denn dazu sagen?«
»Keine Angst! Ich hab´ hier nur eine kleine Einzimmerwohnung. Meine Eltern wohnen drei Straßen weiter. Dort war´s mir zu lebendig. Ich hab´ noch drei kleine Geschwister und konnte dort niemals in Ruhe lernen.«
Ein wenig erleichtert zog sie ihren Geigenkasten unter dem Parka hervor, folgte ihm in die erste Etage und betrat dort seine Wohnung. Die Wände dort waren mit unzähligen Bildern und Postern geschmückt. Allesamt stellten sie Altertümer oder Ausgrabungsstätten dar. Auch das Hypogäum erkannte sie auf einigen Aufnahmen. Der Boden und ein kleiner Schreibtisch waren übersät mit Büchern und Zeitschriften, teils aufgeschlagen, teils gestapelt. Selbst auf dem schmalen Bett in der linken Ecke lagen sie herum. Ein verschlissener Vorhang war davor halb zugezogen.
Als Raul sich umdrehte und sie wieder ansah, begann er zu scherzen »Aber hallo – bei dir geht´s ja ruck zuck. Erst die schnelle Schwangerschaft, und jetzt die noch schnellere Geburt. Und was für ein Baby. Sieht ja schon richtig groß aus – und so hölzern.«
Alishas Lachen klang zwar etwas hysterisch, aber es
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