Maltas Geheimnis
löste ihre Anspannung ein wenig und das tat ihr gut.
»Nun aber mal im Ernst«, unterbrach er ihr Lachen und schob sie sacht auf einen der beiden Stühle, die an einem kleinen Tisch mitten im Raum standen, »was ist los mit dir, Alisha?«
Wieder wusste sie nichts Rechtes zu sagen.
»Ich weiß nicht wo ich anfangen soll oder ob ich es dir überhaupt erzählen sollte…«, druckste sie herum.
»Du verblüffst mich irgendwie, Alisha! Zuerst hast du am Eingang zum Hypogäum mit Ralja in Maltesisch gesprochen. Dann hast du im Hypogäum hauptsächlich Interesse für die unwichtigsten Stellen gezeigt. Danach im Lokal warst du gar nicht mehr so schüchtern und hast den ganzen Laden unterhalten. Anschließend verschwindest du ohne eine akzeptable Erklärung oder eine Verabschiedung. Und jetzt tauchst du hier in diesem Zustand auf? Also: Ich glaube du bist mir eine Erklärung schuldig, meinst du nicht?«
Er war bei diesen Worten an einen Kühlschrank getreten, der sich in einer kleinen Wohnküche befand und öffnete ihn. Sie sah den Inhalt und verspürte augenblicklich einen Mordshunger. Sie hatte seit den frühen Morgenstunden nichts mehr gegessen und nun rebellierte ihr Magen laut hörbar. Raul schien ihren gierigen Blick richtig gedeutet zu haben »Willst du was essen? Du siehst ganz ausgehungert aus!«
»Bin ich auch«, murmelte sie nur und freute sich schon, wieder etwas zwischen die Zähne zu kriegen.
Er holte Butter, Käse und Wurst heraus, fingerte aus einer Tüte mehrere Brötchen und stellte alles vor Alisha auf den Tisch. Aus einem Hängeschrank nahm er zwei flache Teller und Gläser. Aus einem Besteckkasten zog er zwei Messer heraus. Sie bekam nicht mehr mit, woher er die Flasche Rotwein genommen hatte. Es roch zu gut – sie hatte nur noch Augen für die leckeren Dinge vor ihr.
»Greif zu.«
Das ließ sie sich nicht zwei Mal sagen und biss beherzt in eines der Brötchen mit Aufschnitt.
Es schmeckte köstlich, obwohl die Brötchen etwas hart und trocken waren. Der Wein war ein Gedicht und nach einiger Zeit des schweigsamen Essens hatte sie das Gefühl, leicht beschwipst zu sein.
»Also – was ist los mit dir?«, fragte sie Raul und sah sie dabei direkt an.
Diese Frage hatte sie längst wieder erwartet. Sie hatte inzwischen genug Zeit gehabt, sich darüber im Klaren zu werden, ob sie ihm vertrauen konnte. Sicherheitshalber wollte sie zuvor noch einiges von ihm wissen.
»Altertümer scheinen dein Hobby zu sein. Bist du deshalb Fremdenführer im Hypogäum geworden?«
Raul seufzte. »Das mach ich nur als Job. Übrigens auch im Archäologischen Museum. Ich studiere im neunten Semester Archäologie und Geschichte und verdiene mir auf diese Weise ein wenig Taschengeld. Diese Jobs sind sehr begehrt und deshalb bin ich nur wenige Tage im Monat damit beschäftigt.«
»Das erklärt vieles«, dachte sie zufrieden und begann, ihm ihre Geschichte von Anfang an zu erzählen.
»Dr. Magri sagst du?«, unterbrach er sie, als sie ihr zweites Zusammentreffen mit dem Hoteleigentümer beschrieb. »Der Dr. Magri?«
Sie nickte bestätigend und war verwundert über seine Reaktion.
»Weißt du eigentlich, dass es sich bei diesem Mann um einen der reichsten Männer Maltas handelt? Ihm gehören noch weitere Hotels, Geschäfte, Schiffe und sogar mehrere Hubschrauber. Er ist einer der größten, nein – ich würde sogar sagen: Der größte Förderer unserer Altertümer. Dass heute Mdina so gut erhalten ist, geht unter anderem auf seine finanziellen Spenden zurück. Auch das Hypogäum hat er kräftig unterstützt. Er war es, der dafür gesorgt hat, dass seit 1992 dieses Weltkulturerbe vollständig restauriert und konserviert wurde. Er selbst war damals längere Zeit dort unten am Mitanpacken. Auch das Archäologische Museum unterstützt er finanziell kräftig. Ich könnte sogar sagen, dass er mein Stipendium mitfinanziert!«
»Ach echt?«, staunte Alisha. »Dann versteht er bestimmt auch eine ganze Menge von Altertümern?«
»Richtig. Er gehört zu den Spezialisten des Landes und hat mehrere bedeutende Bücher geschrieben.«
»Dann muss seine überraschte Aussage etwas ganz besonderes bedeutet haben.«
»Welche Aussage?«
Sie teilte ihm die außergewöhnlichen Worte Dr. Magris mit.
»Ein Neunstern? Ein Neunstern mit einem Malteserkreuz in der Mitte?« »Aber das gibt doch keinen Sinn! Ich glaube du hast ihn falsch verstanden. Bestimmt meinte er Morgenstern. Das hört sich ähnlich an.«
»Nein, bestimmt nicht«,
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